Peter Staub hat Architektur und Städtebau in der Schweiz (Accademia di Architettura di Mendrisio) und London (Architectural Association School of Architecture und London School of Economics and Political Science) studiert. Danach hatte ein eigenes Architekturbüro in London sowie verschiede Lehraufträge in London und in der Schweiz. Seit 2008 arbeitet er an der Universität Liechtenstein, zuerst als Gastprofessor, dann als Professor, Leiter des Instituts für Architektur und Raumentwicklung, Prorektor für Aussenbeziehungen und Rektor ad interim. Er ist 42 Jahre alt, lebt und arbeitet in Zürich und Vaduz, ist verheiratet und hat zwei Kinder.

Wo und wie sind Sie aufgewachsen?

Ich bin in Winterthur als jüngstes von vier Kindern in einer sehr glücklichen Familie am Waldrand aufgewachsen. Stets im Spannungsfeld zwischen Stadt und Land, zwischen zwei sich nahen Kulturen (Mutter Österreicherin, Vater Schweizer), mit einem Vorarlberger Dialekt als Muttersprache, von klein auf die Welt bereisend. Ohne Sorgen, aber ohne jemals etwas als selbstverständlich anzusehen.

Könnten Sie Ihren Werdegang schildern?

Primar- und Mittelschule in Winterthur, danach das Kunstgymnasium in Zürich (Liceo Artistico). Studium der Architektur an der gerade neu gegründeten Accademia di Architettura in Mendrisio, gefolgt von einem Austausch nach London an die Architectural Association School of Architecture, der sich als permanenter Wechsel herausstellen sollte (dank der Dame an meiner Seite). Abschluss, Gründung des eigenen Architekturbüros in London, erste Erfahrungen in der Lehre an der Architectural Association und an der ETH in Lausanne, danach besagte Gastprofessur in Liechtenstein.

Lehre (2011)

Gab es bestimmte Ereignisse oder Stationen, die für Ihren Werdegang prägend waren?

Ereignisse nicht wirklich, eher Interessen, die mich zu einer Entscheidung geführt haben oder die Unterstützung von Personen und der Zufall, welche mir Entscheidungen abgenommen haben. Die Wahl, im Tessin Architektur zu studieren, war sicherlich mit dem zweisprachigen Liceo Artistico verbunden. Der Wechsel des Studiums nach London war mit meinem Interesse gekoppelt, Film zu studieren. Das war im Kontext eines Architekturstudiums in London möglich.

film

Gab es bestimmte Personen, die für Ihren Werdegang prägend waren?

Und da wären wir schon bei den Personen… Ja, Personen waren und sind wahrscheinlich der Hauptgrund, weshalb ich gewisse Entscheidungen in meinem Leben getroffen habe. Und die privaten Entscheidungen haben auch immer mit beruflichen zu tun beziehungsweise umgekehrt. Aus einem Austauschjahr in London wurden dann acht, aus einem Jahr Gastprofessur in Liechtenstein wurden dann deren 12. Dafür sind die Menschen verantwortlich, welche den Ausschlag für mein Verbleiben gegeben haben. An erster Stelle ist das meine Frau Teresa, an zweiter Stelle die Personen, mit denen ich jeweils zusammen studiert oder gearbeitet habe. Und, nicht zu vergessen, stets meine Eltern, die mir alle Freiheiten gegeben haben, mich so zu entscheiden, wie es für mich richtig war.

 

Hat Sie Ihr Umfeld in Ihrem Werdegang unterstützt?

Zuerst meine Eltern und meine Geschwister, dann meine Frau und meine beiden Kinder, Freunde auf der ganzen Welt und natürlich die Mitarbeitenden.

Lehre (2018)

Welchen Tätigkeiten gehen Sie derzeit nach?

Ich lehre architektonisches Entwerfen. Dabei interessieren mich urbane Ökosysteme und Gestaltungsprozesse, deren Resultate einen nachhaltig positiven Einfluss auf unsere gebaute Umwelt haben. Gleichzeitig forsche ich im Bereich der Baukulturvermittlung und verbringe auch viel Zeit mit Hochschulmanagement, stets an der Schnittstelle zwischen Selbstverwaltung und Aussenbeziehungen.

 

Erfüllt Sie das, was Sie derzeit machen?

Meine Tätigkeiten erfüllen mich sehr. Die Vielfältigkeit lässt keinen Tag langweilig erscheinen. Das Arbeiten mit jungen Studierenden ist stets fordernd aber bereichernd, eine stetige persönliche und fachliche Weiterentwicklung Voraussetzung.

 

Denken Sie, dass Sie selbst darauf einen Einfluss haben, ob Ihre Tätigkeiten erfüllend sind? Falls ja, welche Strategien haben sie, um dies zu gewährleisten?

Das Schöne an meinem Beruf ist, dass ich mitentscheiden kann, was ich unterrichte und forsche und wie ich das tue. Die Entscheidungsfindung findet im Team statt und ist ein bereichernder Prozess.

 

Was oder wer inspiriert Sie im Alltag? Haben Sie Strategien, um die Chancen zu erhöhen, dass es inspirierende Momente gibt?

Die Zusammenarbeit mit anderen Mitarbeitenden und Studierenden ist immer inspirierend. Mehr kritischer Diskurs, mehr kultureller Austausch gleich mehr Inspiration.

 

Was oder wer gibt Ihnen im Alltag Kraft und Energie? Haben Sie Strategien, damit Sie zu genug Kraft und Energie kommen?

Im Alltag gibt mir immer die Aussicht auf eine bessere Zukunft die nötige Kraft, Dinge zu verändern und zu verbessern. Da wird es einem nie langweilig, da sich die Welt stets unerwartet verändert und sich die Visionen und Fragen zur Zukunft ständig verändern. Was könnte spannender sein, als die Zukunft mitzugestalten, speziell dann, wenn man die Zukunft in Form von zwei heranwachsenden Kinder stetig vor Augen hat?

Seminarreise nach Syrien (2009)

Es gibt Momente, in denen alles zu passen scheint. Momente, die einen erfüllen, inspirieren und die einem Kraft und Zuversicht gehen. Momente, die einen darin bestätigen, dass sich der Einsatz lohnt und dass das, was man macht, sinnhaft und wertvoll ist. Haben Sie solche «magischen Momente» in Bezug auf Ihre eigenen Tätigkeiten schon erlebt?

Solche Momente gibt es in der Lehre und der Forschung immer wieder, vor allem dann, wenn man von der Arbeit betroffenen Personen persönliches Feedback bekommt, dass das, was man tut, auch positive Auswirkungen hat. Dazu gehören zum Beispiel Briefe von ehemaligen Studierenden, welche sich zum Teil auch nach mehreren Jahren für ihre Ausbildung bedanken. Oder aber auch direkte und ehrliche Kritik, die mich darin bekräftigt, stets einen offenen Diskurs auf Augenhöhe zu pflegen. Auf jeden Fall ist es nicht der grosse Applaus, der mich inspiriert, sondern die ganz persönlichen Rückmeldungen, die mich bewegen.

Tun Sie aktiv etwas dafür, damit sich solche «magischen» Momente einstellen können?

Ich versuche stets das Beste zu geben und individuell auf die Bedürfnisse von Personen einzugehen. Das Schöne an meinem Beruf ist das, direkt mit unterschiedlichsten Menschen, oftmals aus verschiedenen Kulturen arbeiten zu dürfen. Jeder und jede Studierende hat eine eigene Historie die es zu berücksichtigen gilt, hat eigene Talente, die es zu fördern gilt. Ich bilde mir ein zu glauben, dass das individuelle Eingehen auf jeden Menschen auch manchmal zu den Reaktionen führt, wie ich sie in der vorherigen Antwort beschrieben habe.

 

Gibt es Momente, in denen Sie an dem, was Sie machen, zweifeln?

Es gibt auch Zeiten, wo keine Rückmeldungen von Studierenden oder Mitarbeitenden kommen. Das beutet dann meist, dass entweder alles in Ordnung ist oder eben nicht. In einem offenen Arbeitsumfeld braucht es manchmal eine kurze Nachfrage, um die Situation zu klären, das ist aber schnell getan.

 

Können Sie schwierigen Momenten rückblickend etwas Positives abgewinnen?

Im Sinne von «aus Fehlern lernen»? Ja klar, aber das ist auch manchmal Schönrednerei, viele schwierige Momente, zumindest diejenigen, auf welche man Einfluss hatte, hätten auch vermieden werden können, indem man alle Informationen einholt und alle Faktoren abwägt, bevor eine Entscheidung getroffen wird. Was im Moment vielleicht als zögerlich und wenig entscheidungsfreudig erscheint, entpuppt sich später meist als wohl überlegt und ausgewogen. Mit Erfahrung kommt auch die Fähigkeit, Druck standhalten zu können. Das musste ich auch lernen.

 

Gibt es etwas, was Sie rückblickend anders machen würden?

Da gibt es bestimmt einige Dinge, aber ich schaue lieber nach vorne als zurück.

Diplomfeier (2019)

Möchten Sie mit ihren Tätigkeiten etwas zur Gesellschaft beitragen?

Unbedingt, das ist meine grösste Motivation. Die Studierenden, welche wir ausbilden, werden unsere Zukunft, unseren Lebensraum gestalten. Ihre Werte, Haltung und Weitsicht werden hierbei entscheidend sein, ob ihre Arbeit auch nachhaltig ist. Nachhaltigkeit (ein Begriff, den ich eigentlich nicht mag, weil er zu oft missbraucht wird) verstehe ich als die Lebensform, welche stets bewusst das eigene Agieren im Kontext von und somit als Beitrag zum langfristigen, globalen (universellen?) Gemeinwohl abwägt. Hierzu einen kleinen Beitrag zu leisten, treibt mich an.

 

Ist Ihnen die Anerkennung von anderen Personen bzw. von der Öffentlichkeit wichtig?

Anerkennung ist immer schön, speziell wenn sie von Personen kommt, die man schätzt.

 

Wie gut können Sie von dem, was Sie beruflich tun, leben? Hat diese finanzielle Situation einen Einfluss auf ihren Alltag bzw. Ihre Tätigkeiten?

Ich kann glücklicherweise unbeschwert und sorglos leben.

 

Gibt es etwas, das Sie derzeit besonders beschäftigt?

Unser Universum und unsere Erde fasziniert mich mit all ihren Aspekten. Es macht mich nachdenklich, wie unsorgsam wir mit diesem Geschenk umgehen, wie kurzsichtig viele gesellschaftlichen Konventionen und wie träge unsere Systeme sind. Wir haben offensichtlich immer noch nicht verstanden, dass wir ein Gemeingut für die nächsten Generationen verwalten.

 

Gibt es etwas, womit Sie sich in Zukunft gerne (verstärkt) beschäftigen würden?

Ganz abgesehen davon, dass ich mehr Zeit mit meiner Familie verbringen möchte, stelle ich mir täglich die Frage, welchen Beitrag in welcher Form ich für eine zukunftsgerechte Gesellschaft im Stande bin zu leisten. Das Abwägen von Nachhaltigkeit in all seinen Aspekten ist äusserst individuell und komplex. Ich würde mich gerne vermehrt damit beschäftigen um hier eine für meine Familie verträgliche und für die Lösung globaler Probleme eine zielführende Position zu finden.

 

Wofür sind Sie im Leben besonders dankbar?

Freiheit.

Interview
Laura Hilti, Mai 2020

 

Illustrationen
Stefani Andersen


Credits

Portraitfoto: Stephanie Büchel
Lehre (2011): Michael Zanghellini/zanghellini.li
Lehre (2018)/ Seminarreise: Universität Liechtenstein
Diplomfeier: Paul Trummer

Dieses Interview ist Teil des Projekts «Magic Moments» des Kunstvereins Schichtwechsel, in dessen Rahmen Menschen zu ihrem Werdegang, ihren Tätigkeiten sowie magischen und schwierigen Momenten befragt werden.

Kuratiert von Stefani Andersen und Laura Hilti, Kunstverein Schichtwechsel.

Gefördert durch die Kulturstiftung Liechtenstein und die Stiftung Fürstl. Kommerzienrat Guido Feger.

 

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