Jan Georg Plavec wuchs in Tettnang am Bodensee auf, ging zum Studium nach Stuttgart und blieb dort «hängen», weil es keinen Grund gab, wieder wegzugehen. Heute schreibt er für die Stuttgarter Zeitung – vor allem über Daten – und leitet Digitalprojekte. Das lässt zum Glück genügend Freiraum, um Musik mit seiner Band Hawelka zu machen, sofern Corona es erlaubt. Jan Georg Plavec ist verheiratet und hat eine Tochter. Wenn möglich geht er mit seiner Frau raus und natürlich gibt es da noch die Musik: selber machen, zuhören, … das sind seine liebsten Tätigkeiten. Er ist 36 Jahre alt.

Wo und wie sind Sie aufgewachsen?

Als Kind von zwei «Zugezogenen» im beschaulichen Tettnang. Mein Vater stammt aus der Nähe von Wien, meine Mutter aus der Frankfurter Gegend. Im Rückblick war das spannend, weil in Tettnang viele Alteingesessene leben, die ihre Traditionen und ihre Sprache pflegen etc. Das ist alles auch Teil meiner Identität und meine Jugend war wirklich sehr schön – aber es war auch okay, zum Studium ein wenig weiter wegzuziehen.

Könnten Sie Ihren Werdegang schildern?

Musik und Journalismus haben mich seit der Teenagerzeit geprägt. Meinen ersten Text für die Zeitung habe ich mit 14 geschrieben, die erste Klavierstunde schon mit sechs genommen. So lief das dann im Grunde weiter. Mit dem Job bei der Stuttgarter Zeitung bin ich in eine erfüllende Tätigkeit hineingewachsen.

Gab es bestimmte Ereignisse oder Stationen, die für Ihren Werdegang prägend waren?

Mit 14: die grosse Langeweile in den Ferien, die ich so nie wieder erleben wollte. Danach bin ich sehr aktiv geworden.

Mit 20: das Zeitungsseminar an der Uni Hohenheim, wo ich meinen ersten Förderer Bruno Bienzle kennengelernt habe – damals Ressortleiter Lokales bei den Stuttgarter Nachrichten. Er hat letztlich den Kontakt zum Pressehaus hergestellt.

Mit 23: als ich meine Frau in Brüssel kennengelernt habe – wir waren beide Praktikanten, ich damals im EU-Parlament.

Mit 35: als ich nach fünf Jahren meine Dissertation verteidigt habe, die entstand neben dem Beruf.

Erfüllt Sie das, was Sie derzeit machen?

Zum Glück ja. Ich kann mir die Themen, über die ich schreibe, weitgehend selbst aussuchen. Ich mache die Musik, die ich möchte und lebe mit den Menschen zusammen, die ich liebe. Was kann es Schöneres geben?

 

Was oder wer inspiriert Sie im Alltag?

Neues. Neue Gedanken, wenn ich den Merkur oder den New Yorker lese. Neue Musik, über die ich dank Freunden oder Zufällen stolpere. Und es lohnt sich, auf der Strasse immer wieder mal stehen zu bleiben und sich umzusehen. Man entdeckt fast immer etwas.

Was oder wer gibt Ihnen im Alltag Kraft und Energie?

Unerwartete Ereignisse motivieren. Wenn sich etwas zum Besseren wendet, wenn etwas unerwartet gut wird oder jemand einen überraschenden Gedanken formuliert. Auch eine gute Bandprobe oder ein gutes Konzert.

 

Es gibt «magische Momente», in denen alles zu passen scheint. Momente, die erfüllen, inspirieren und Kraft geben. Momente, die bestätigen, dass sich der Einsatz lohnt und dass das, was man macht, sinnhaft und wertvoll ist. Haben Sie solche Momente in Bezug auf Ihre eigenen Tätigkeiten schon erlebt?

Man spürt das eigentlich immer in dem jeweiligen Moment, und er hallt nach. Solche Momente geben mir immer innerlich einen Kick, sie machen zufrieden. Zum Beispiel als wir mit Hawelka den Song «Astronaut» fertig hatten. Es gab den nur als schlechte Handyaufnahme aus dem Proberaum, aber er klang da so fertig, so kraftvoll – ich habe ihn mir immer und immer wieder angehört.

Tun Sie aktiv etwas dafür, damit sich solche magischen Momente einstellen können?

So uninspiriert es klingt, aber beständig an Dingen zu arbeiten lohnt sich. Wenn wir einen Song schreiben, ihn umbauen, neu arrangieren, anders instrumentieren – dann ist das harte Arbeit. Sie bereitet aber den magischen Moment vor. Für den man sich im richtigen Moment aber gehen lassen muss. Man weiss, wie alles laufen muss. Kennt seine Parts und die der anderen. Und dann lässt man die Musik ihre Kraft entfalten.

Gibt es Momente, in denen Sie an dem, was Sie machen, zweifeln?

Eigentlich nicht. Ich versuche immer, zu erreichen, was ich möchte – so lange, bis klar ist, dass ich es schaffe oder nicht. Wenn man alles gibt, ist das Ergebnis vielleicht trotzdem enttäuschend, aber man kann es akzeptieren.

 

Können Sie schwierigen Momenten rückblickend etwas Positives abgewinnen?

Man stellt sich in solchen Momenten oft die richtigen Fragen – weil die Antworten darauf einem später weiterhelfen.

 

Gibt es etwas, was Sie rückblickend anders machen würden?

Eigentlich nein. Ich habe bis jetzt immer alles für die Dinge getan, die mir wichtig sind. Das heisst nicht, dass ich immer alles richtig gemacht habe. Aber ich bin zufrieden damit, was ich gemacht habe.

 

Möchten Sie mit Ihren Tätigkeiten etwas zur Gesellschaft beitragen?

Ich habe Kommunikationswissenschaft studiert und bin Journalist geworden, um die öffentliche Debatte besser zu machen – in dem Sinn, dass alle verfügbaren und relevanten Informationen bekannt werden und auf dieser Grundlage jeder die für sich beste Haltung einnehmen bzw. Entscheidung treffen kann.

Ist Ihnen die Anerkennung von anderen Personen bzw. von der Öffentlichkeit wichtig?

Da sagt vermutlich kaum einer Ja. Wenn ich ehrlich bin, bedeutet mir das schon etwas. Zumindest wenn man, wie als Journalist, etwas in der Öffentlichkeit und für die Öffentlichkeit tut. Dann ist das auch der Bezugsrahmen, innerhalb dessen man seinen eigenen «Erfolg» misst.

 

Wie gut können Sie von dem, was Sie beruflich tun, leben?

Ich kann so gut vom Redakteursjob leben, dass ich von der Musik überhaupt nicht leben können muss. Das ist ein sehr positiver Zustand.

Gibt es etwas, das Sie derzeit besonders beschäftigt?

Die Spaltung der Gesellschaft, zu der Teile der akademischen «Eliten» leider ebenso ihren Beitrag leisten wie jene, die Populisten, Verschwörungstheoretikern und anderen auf den Leim gehen.

Wofür sind Sie im Leben besonders dankbar?

Dass ich so früh ein Instrument lernen durfte (bzw. musste). Musik ist eine der schönsten Dinge im Leben.

Interview
Laura Hilti, Juni 2021


Illustrationen

Stefani Andersen


Links

www.hawelka-band.de


Credits

Porträtfoto: Armin Kübler, www.gig-blog.net
Alle anderen Fotos: Jan Georg Plavec

Dieses Interview ist Teil des Projekts «Magic Moments» des Kunstvereins Schichtwechsel, in dessen Rahmen Menschen zu ihrem Werdegang, ihren Tätigkeiten sowie magischen und schwierigen Momenten befragt werden.

Das Projekt wird gefördert durch die Kulturstiftung Liechtenstein und die Stiftung Fürstl. Kommerzienrat Guido Feger.

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