Bruno Kaufmann Kunst, Kunstwissenschaft und Pädagogik der Universität Zürich und der Hochschule für bildende Künste (heute Universität der Künste) in Berlin. In den folgenden Jahrzehnten war er als Kunstschaffender, Fotograf und Kunstpädagoge tätig und ist bis heute künstlerisch aktiv. 1993 gründete er die Kunstschule Liechtenstein und war 15 Jahre lang ihr Direktor. Auf seine Anregung hin entstand ausserdem der gestalterische Zweig der Berufsmittelschule BMS Liechtenstein. Er war einige Jahre lang Mitglied in der Ankaufskommission der Liechtensteinischen Staatlichen Kunstsammlung und des Kunstmuseums Liechtenstein sowie im Beirat der Stiftung ArsRhenia. Heute ist er im Beirat der Philatelie Liechtenstein. Bruno Kaufmann stammt aus Balzers und lebt seit 1978 wieder dort. Er ist verheiratet und hat jeweils zwei Kinder und Enkelkinder. Er liest unter anderem gerne Sach- und Fachbücher und auch feministische Literatur und hört gerne Musik aller Art – mit Ausnahme von Schlagern. Er ist 77 Jahre alt.

Wo und wie sind Sie aufgewachsen?

Ich bin in Balzers mit einem jüngeren Bruder und einer jüngeren Schwester aufgewachsen. Unser Vater war Gipser und unsere Mutter führte ein Textilgeschäft.

 

Könnten Sie Ihren Werdegang schildern?

Nach meiner Matura im Jahr 1964 habe ich an der Universität Zürich angefangen, Kunstwissenschaft und Pädagogik zu studieren. Ab 1965 folgte das Kunst- und Kunstpädagogik-Studium an der Hochschule für bildende Künste (heute Universität der Künste) in Berlin.

Ab 1970 arbeitete ich als Fotograf bei der Konsumentenzeitschrift Stiftung Warentest in Berlin. Nach meiner Rückkehr nach Liechtenstein im Jahr 1978 folgte ein Jahr mit verschiedenen Nebentätigkeiten. Ab 1979 war ich als Industrie- und Werbefotograf bei der Ivoclar-Vivadent AG (Dentalfabrik) in Schaan tätig. In dieser Zeit beschäftigte mich der Gedanke der Gründung einer Kunstschule. So wechselte ich 1987 als Kunst- und Werklehrer an das Liechtensteinische Gymnasium in Vaduz. Nebenbei erstellte ich zusammen mit einer Arbeitsgruppe der Liechtensteinischen Kunstgesellschaft das Konzept für eine Kunstschule in Liechtenstein. Nach langen Vorarbeiten und mit Hilfe der Liechtensteinischen Kunstgesellschaft als geistige Trägerschaft konnte die Kunstschule Liechtenstein mit mir als Direktor als Schulversuch 1993 eröffnet werden. Durch den schnellen Erfolg dieser Schule konnte ihr 2002 ein Vorkurs angegliedert werden. 2008 ging ich in Pension und kann mich seither nun ganz der Kunst widmen. Seit Ende meines Studiums in Berlin war ich fast ständig als Künstler tätig und war an Ausstellungen im In- und Ausland beteiligt, führte Kunst-am-Bau-Aufträge aus und kreierte einige Briefmarkenserien für Liechtenstein.

 

Gab es bestimmte Ereignisse oder Stationen, die für Ihren Werdegang prägend waren?

Ja, das gab es. Ich war etwa 10 Jahre alt, als ich die Ausstellung der Fürstlichen Sammlung in Vaduz besucht habe und von den Gemälden tief beeindruckt war. Ich erinnere mich noch gut an die Gemälde von Peter Paul Rubens, Anthony van Dyck und Frans Hals. So wollte ich auch einmal malen können, wünschte ich mir.

 

Gab es bestimmte Personen, die für Ihren Werdegang prägend waren?

Im Kindergartenalter habe ich oft bei meinem Grossvater, der mir Buntstifte geschenkt hatte, gezeichnet. Bei ihm war ab und zu ein alter Mann zu Besuch. Mit dem zusammen habe ich mit Begeisterung Autos gezeichnet.

Eine weitere wichtige Person war meine Tante Lotti, die mir ein Lexikon moderner Kunst geschenkt hat. Da war ich zwölf Jahre alt. Dieses Buch eröffnete mir einen ganz neuen Blick in die Welt der Kunst – vom Impressionismus bis in die Tendenzen der 50er-Jahre.

In meinem Studium gab es drei Personen, die mir wesentliche Impulse gegeben haben. Das war Professor Walter Hess, in dessen Vorlesungen ich Wesentliches über Paul Cézanne lernte, sowie die Schriften von Max Bense und ein Buch über Computerkunst, das computergenerierte Grafiken von Herbert W. Franke enthielt.

 

Hat Sie Ihr Umfeld in Ihrem Werdegang unterstützt?

Es gab einen Cousin meiner Mutter, der von Beruf Maler (Anstreicher) war und selbst auch Landschaften malte. Ihm gefielen meine Zeichnungen und Malereien. So empfahl er meiner Mutter, dieses Talent zu fördern. Deshalb durfte ich noch während meiner Schulzeit beim Kunstmaler Anton Ender Malkurse besuchen. Den Entschluss, Kunst und Kunstpädagogik zu studieren, fasste ich erst kurz vor der Matura. Meine Eltern waren nicht gerade begeistert, aber sie legten mir keine Hindernisse in den Weg. Geholfen hat dabei sicherlich, dass ich mit dem Kunststudium auch das Höhere Lehramt studieren wollte.

 

Welchen Tätigkeiten gehen Sie derzeit nach?

Ich bin Rentner und kann nun meiner Tätigkeit als Kunstschaffender voll und ganz nachgehen. Das konnte ich vorher nie.

 

Erfüllt Sie das, was Sie derzeit machen?

Obwohl mein Fokus immer auf meine künstlerische Tätigkeit hin ausgerichtet war, wollte ich nie finanziell von meiner Kunst abhängig sein. So war mein Leben geprägt von verschiedenen beruflichen Tätigkeiten. Das war vor allem die Tätigkeit als Kunstschaffender, die ich mit wenigen Unterbrüchen immer ausgeübt habe. Lange Jahre habe ich als Werbe- und Industrie-Fotograf meine Brötchen verdient. So konnte ich meine Kunst und den Unterhalt für meine Familie finanzieren. Später war ich bis zu meiner Pensionierung als Kunstlehrer und Direktor der Kunstschule Liechtenstein tätig.

Alle diese Tätigkeiten habe ich gerne ausgeführt. Sie haben mein Leben bereichert, aber ebenso haben sie mir nur eingeschränkt Zeit für meine künstlerische Tätigkeit gelassen. Seit meiner Pensionierung ist das anders. Ich war künstlerisch nie so aktiv wie jetzt und das erfüllt mich voll und ganz.

 

Denken Sie, dass Sie einen Einfluss darauf haben, ob Ihre Tätigkeiten erfüllend sind?

Meine Tätigkeit war und ist insofern erfüllend, dass ich einfach einem dauernden inneren Drang folge, kreativ zu sein. Das erfüllt mich. Ständig habe ich Ideen, die ich realisieren will. Dabei ist die schöpferische Tätigkeit nicht immer mit Glücksgefühlen verbunden. Sie kann sehr anstrengend und auch frustrierend sein. In solchen Augenblicken darf man einfach nicht aufgeben. Vielleicht braucht es dann mal eine Pause. Jedoch schwirren mir ungelöste künstlerische Probleme dauernd im Kopf herum. Oft ist es so, dass ich in Augenblicken, wo ich es nicht erwarte, plötzlich eine mögliche Lösung sehe oder neue Ideen habe. Das kann unter der Dusche oder beim Autofahren passieren. So mache ich mich dann aufs Neue an die Arbeit. Das Glücksgefühl stellt sich dann ein, wenn ich den Eindruck habe, mein Ziel erreicht zu haben. Das ist dann ein Gefühl der Befreiung. Ich bin überzeugt, dass man solche Gefühle nur kennt, wenn man auch das Gegenteil erlebt hat – das Scheitern und die Frustration.

Wenn ich merke, dass ich mit Bildern nicht mehr weiter komme, hilft mir manchmal, mich mit meiner fotografischen Arbeit zu befassen. Fotografie hat mich schon während meines Studiums sehr interessiert, besonders im Zusammenhang mit Fotosiebdruck. Ich hatte aber nie daran gedacht, nach meinem Studium als Fotograf zu arbeiten, sondern suchte eine Anstellung als Kunsterzieher. Leider hat das nicht geklappt. So habe ich mehr oder weniger durch Zufall eine Anstellung als Fotograf gefunden. Nach meiner Rückkehr nach Liechtenstein ging es mir ähnlich – keine Anstellung als Kunstlehrer, stattdessen eine als Werbe- und Industriefotograf. Diese berufliche Tätigkeit als Fotograf habe ich sehr gerne ausgeübt. Sie war mehr als nur ein Brotberuf. Im künstlerischen Bereich angewandt kann ich mit Fotografien eine andere Seite von mir zeigen – eine mehr gefühlsbetonte, intuitive, im Unterschied zur rational betonten meiner Kunst.

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Fotografie verhilft mir aber auch in meiner Kunst zu neuen Möglichkeiten, besonders was die Farbfindung betrifft. Das kommt vor allem in meinen Cologrammen zum Ausdruck.

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Auch Kunst habe ich gerne unterrichtet. Für mich war es faszinierend zu sehen, wie positiv sich die jungen Menschen im Vorkurs innerhalb eines Jahres entwickelten. Es gab welche, die schon am Beginn des Vorkurses genau wussten, was sie danach studieren oder beruflich machen wollten. Aber es gab auch welche, die erst herausfinden wollten, ob sie sich für einen gestalterischen Beruf eignen oder nicht. Und es gab solche, die vom Stress der allgemeinbildenden Schulen geprägt und frustriert waren und ein Orientierungs- oder Überbrückungsjahr brauchten. Im Vorkurs haben letztere eine andere Art des Lernens kennen gelernt als in den allgemeinbildenden Schulen. Die Lehrerinnen und Lehrer der Kunstschule hatten nun die Aufgabe, für alle eine mögliche berufliche Perspektive aufzuzeigen. In den meisten Fällen ist das gelungen. Als Kunstlehrer war das die wohl schönste Zeit in meinem Leben. So ist es mir nicht leichtgefallen, diese Tätigkeit nach meiner Pensionierung aufzugeben.

 

Was oder wer inspiriert Sie im Alltag?

Sehr inspirierend finde ich Musik. Oft vergleiche ich meine künstlerische Arbeit mit der von Komponisten. Diese schaffen auditive Strukturen und Erlebnisse, ich visuelle.

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Was oder wer gibt Ihnen im Alltag Kraft und Energie?

Da ich einigermassen gesund bin, kommen Kraft und Energie aus mir selbst heraus. Treibende Kraft ist mein Bedürfnis, Neues zu entdecken. Wenn mir eine Arbeit gut gelingt, ist das ein Erfolgserlebnis, das mir Kraft und Vertrauen in mich selber gibt. Eine Kraftquelle sind natürlich auch meine Familie, Freunde und liebe Bekannte. Kraft schöpfe ich aber auch beim Lesen von Sach- und Fachbüchern oder beim Anhören von Musik.

 

Es gibt «magische Momente», in denen alles zu passen scheint. Momente, die erfüllen, inspirieren und Kraft geben. Momente, die bestätigen, dass sich der Einsatz lohnt und dass das, was man macht, sinnhaft und wertvoll ist. Haben Sie solche Momente in Bezug auf Ihre eigenen Tätigkeiten schon erlebt?

Magie im eigentlichen Sinne gibt es ja nicht. Aber wenn wir von etwas begeistert sind, sprechen wir z. B. von magischer Wirkung, bei Menschen von wunderbarer Ausstrahlung und bei Naturphänomenen von zauberhafter Stimmung. Situationen oder Bilder können surreal wirken und Museen können eine Aura haben. Damit drücken wir aber nur eine Empfindung aus, die etwas Äusseres in uns auslöst.

Mit Kunstwerken ist das ähnlich. Auch sie können auf uns eine Faszination ausüben, die mit Worten manchmal nur schwer zu erklären ist. Man spricht in solchen Fällen von Aura. Aber andere Menschen können auf dieselben Kunstwerke, die für mich eine magische Wirkung haben, ganz gegenteilig empfinden. Der Schluss daraus ist, dass die Ausstrahlung, die Atmosphäre, nichts ist, was einer Person oder einem Kunstwerk objektiv anhaftet, sondern nur in unserem subjektiven Empfinden vorhanden ist. Leute, die in der Werbung oder im Design tätig sind, wissen genau, wie sie sich mit ihren Produkten an unsere Empfindungen wenden müssen, um uns zu Konsumenten zu machen. Auch Künstlerinnen und Künstler verstehen es, die emotionale Seite in Menschen anzusprechen.

 

Tun Sie aktiv etwas dafür, damit sich solche magischen Momente einstellen können?

Am liebsten ist mir, wenn sich solche Momente unverhofft ergeben. Aber man kann sie auch herbeiführen, wenn man zum Beispiel seine Lieblingsmusik hört, tanzen geht, einen schönen Ort aufsucht, mit seinen Enkelkindern spielt und und und.

Als bildender Künstler schaffe ich Werke, die rational bestimmt sind. Das birgt die Gefahr, dass ich das Ergebnis schon im Voraus kenne. Das finde ich eher langweilig. So sind mir diejenigen Arbeiten am liebsten, die, obwohl rational geplant, zu Ergebnissen führen, die ich nicht voraussehen kann. Das sind Momente, die mich erfüllen.

Als ein unverhofft erlebtes magisches Erlebnis soll folgendes Beispiel dienen. Da ich fotografisches Material für meine Composings* benötige, z. B. für gezeichnete Architekturteile, deren Oberfläche ich mit fotografierten Oberflächen ausstatten will, schlendere ich ab und zu an Sonntagen durch Industriegebiete, um Hausfassaden und Maueroberflächen zu fotografieren. Während an Werktagen in solchen Gebieten eine Menge Autos verkehren und viele Leute unterwegs sind, so sind die Industriegebiete an Sonntagen meist menschenleer, tot. Es sind keine Motoren zu hören. Man ist dort ganz alleine. Für mich hatte das etwas Surreales oder auch Magisches, als mir das zum ersten Mal aufgefallen ist. So habe ich vor Jahren begonnen, Fotos aus Industriegebieten so zu bearbeiten, dass dieses surreale oder magische Erlebnis zum Ausdruck kommt.

Industriefoto aus der Serie «Immer sonntags»

Inzwischen ist schon eine ganze Serie von Industriegebieten, die es als solche gar nicht gibt, entstanden. Sie sind meist menschenleer. Alle Schriftzeichen sind gelöscht, der Himmel schwarz. Das erzeugt eine magische Atmosphäre. Um solche Arbeiten zu kreieren, muss ich aktiv werden und eben Industriegebiete aufsuchen.

 

Gibt es Momente, in denen Sie an dem, was Sie machen, zweifeln?

Der Zweifel begleitet mich ständig. Ein von mir für gut befundenes Kunstwerk kann nach einem zeitlichen Abstand auf mich plötzlich uninteressant wirken. Wie gehe ich damit um? Zweifel helfen mir, mich und meine Werke zu hinterfragen. Ich suche dann nach Antworten, indem ich das Werk analysiere und Fragen stelle oder einer Empfindung folge, die mir sagt, dass etwas noch nicht stimmt. Sobald ich den Grund verbal formulieren kann, weiss ich auch, was zu ändern ist.

 

Können Sie schwierigen Momenten rückblickend etwas Positives abgewinnen?

Schwierige Momente sind da, um durchgestanden und gelöst zu werden. Man muss immer den Mut aufbringen, das Risiko, vom Ergebnis enttäuscht zu werden, einzugehen. Gelingt eine Arbeit, so wird man mit einem Glücksgefühl belohnt. Wenn das Ergebnis enttäuscht und man aufgibt, bleibt ein Gefühl des Versagens. Rückblickend kann ich sagen, dass sich diese Haltung schwierigen Momenten gegenüber für mich immer gelohnt hat. Sie hat sich positiv auf meine Arbeit ausgewirkt und mich stärker gemacht.

 

Gibt es etwas, was Sie rückblickend anders machen würden?

Diese Frage beschäftigt wohl die meisten Menschen. Aber man weiss ja nicht, wo man heute wäre, hätte man früher eine andere Entscheidung getroffen. Zum Beispiel habe ich mich schon oft gefragt, ob ich nicht besser woanders hätte studieren sollen als in Berlin. Ich habe mich damals gefühlt, als ob ich an einem Ort wäre, wo die aktuelle Kunst aussen vorbeirauscht. Ein Studium in den USA hätte mich mehr interessiert. Aber immer komme ich dabei auf die Tatsache zurück, dass ich in der damaligen Situation keine andere Möglichkeit hatte. So habe ich einerseits heute noch das Gefühl, damals etwas verpasst zu haben. Aber anderseits muss ich eingestehen, dass mich die politische Situation der 60er- und 70er-Jahre in Berlin sehr geprägt hat und somit ein Teil meines Lebens geworden ist.

 

Möchten Sie mit Ihren Tätigkeiten etwas zur Gesellschaft beitragen?

Ich möchte das sowohl als Kunstschaffender als auch als Kunstpädagoge. Als Kunstpädagoge ging es mir kurz gesagt immer darum, junge Menschen, aber auch Erwachsene, an Kunst und Kultur teilnehmen zu lassen oder ihnen die Möglichkeit zu geben, selbst kreativ zu werden. Damit wollte ich sie erleben lassen, dass selbst kreativ sein dem Leben einen besonderen Sinn geben kann. Wenn mir das gelang, so war das eine Bereicherung des Lebens für diejenigen, die ich unterrichtet habe.

Als Kunstschaffender leiste ich mit meinen Arbeiten einen Beitrag zum aktuellen Kunstgeschehen, indem ich die Werke in Ausstellungen zur Diskussion stelle. Wie wichtig Kunst und Kultur für die Gesellschaft sind, erleben wir gerade jetzt, wo das kulturelle Leben durch Corona stark eingeschränkt ist. Nie ist uns die Bedeutung von Kunst und Kultur bewusster geworden als jetzt, wo Museen, Galerien, Theater und Kinos geschlossen sind.

 

Ist Ihnen die Anerkennung von anderen Personen bzw. von der Öffentlichkeit wichtig?

Es ist immer angenehm, von anderen Personen oder der Öffentlichkeit anerkannt zu werden. Beruflich kann das von Bedeutung sein und es kann bestätigen, auf dem richtigen Weg zu sein. Aber man muss dazu immer auch eine kritische Distanz einnehmen. Oft ist Lob nur eine Nettigkeit. Das hilft einem nicht weiter. Konstruktive Kritik hört man nur ganz selten. Was ich bedaure. Anerkennung kann einen auch behindern, wenn der unausgesprochene Anspruch dahinter ist, so wie bisher weiter zu machen. Das fühlt sich dann so an, wie auf der Stelle angenagelt zu werden. Da ist mir ehrliche Kritik lieber, die einen zwingt zu prüfen, ob kritische Einwände berechtigt sind oder nicht. Aber letzten Endes muss ich selbst in der Lage sein zu entscheiden, was für mich der richtige Weg ist.

 

Wie gut können Sie von dem, was Sie beruflich tun, leben?

Obwohl mein Fokus immer auf meine künstlerische Tätigkeit hin ausgerichtet war, wollte ich nie finanziell von ihr abhängig sein. So war mein Leben geprägt von verschiedenen beruflichen Tätigkeiten. Das war vor allem die Tätigkeit als Kunstschaffender, die ich mit wenigen Unterbrüchen immer ausgeübt habe. Lange Jahre habe ich als Fotograf meine Brötchen verdient. So konnte ich meine Kunst und den Unterhalt für meine Familie finanzieren. Später war ich bis zu meiner Pensionierung als Kunstlehrer tätig. Was ich mit meiner Kunst verdient habe, habe ich immer wieder dazu benutzt, um neue Werke zu schaffen. Zum Leben hätte das nie gereicht.

 

Gibt es etwas, das Sie derzeit besonders beschäftigt?

Mit 77 Jahren schaut man viel weiter zurück in die Vergangenheit als nach vorne in die Zukunft. Was ich erlebt habe, weiss ich. Was die Zukunft bringt, weiss ich nicht und da mache ich mir schon Sorgen. Ich gehöre einer Generation an, die keinen Krieg erlebt hat und die mehrheitlich in wirtschaftlich guten Verhältnissen gelebt hat. Aber gilt das auch für meine Kinder und Enkelkinder? Ich befürchte nein. Die weltweite politische Entwicklung beobachte ich mit grosser Sorge.

 

Gibt es etwas, womit Sie sich in Zukunft gerne (verstärkt) beschäftigen würden?

Ich hoffe, dass mir noch ein paar Jahre bleiben und dass ich noch sehen kann, wie sich meine kleinen Enkelkinder entwickeln. Natürlich hoffe ich auch, weiterhin künstlerisch tätig sein zu können laut meinem Motto: «Solange ich lebe, kreiere ich.»

 

Wofür sind Sie im Leben besonders dankbar?

Das Leben ist ein Abenteuer. So bin ich dankbar, dieses Abenteuer leben zu können.

 

* Ein Composing ist eine Fotografie, deren Bildteile mehreren unterschiedlichen Fotos entnommen und zu einem einzigen Foto zusammenkopiert sind.

Interview
Laura Hilti, März 2021


Links
www.kaufmann.li

www.kunstschule.li

 

Credits
Alle Bilder: © bruno kaufmann

Dieses Interview ist Teil des Projekts «Magic Moments» des Kunstvereins Schichtwechsel, in dessen Rahmen Menschen zu ihrem Werdegang, ihren Tätigkeiten sowie magischen und schwierigen Momenten befragt werden.

Das Projekt wird gefördert durch die Kulturstiftung Liechtenstein und die Stiftung Fürstl. Kommerzienrat Guido Feger.

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