Edgar Bargetze machte eine Lehre als Möbelschreiner und bildete sich später in Fensterbau (speziell rund und schräg), Zimmermannsarbeiten und Treppenbau weiter. Er war 20 Jahre lang nebenberuflicher Jugendarbeiter und acht Jahre Gemeinderat für die Freie Liste bei der Gemeinde Triesen in den Ressorts Kultur und Jugend. Ausserdem war er Teilzeit-Hausmann, machte ein Diplom im Weinbau, eine Weiterbildung als Grafik-Designer sowie das Wirtepatent. Heute ist er mit seinem Bruder als Schreiner im Unternehmen «Gebrüder Bargetze AG» selbstständig. Neben dieser Vollzeit-Arbeit ist er unter anderem in der Betriebsgruppe der Gartenkooperative Liechtenstein-Werdenberg, vertreibt selbstgemachte etze-Liköre, betätigt sich als Winzer, sorgt als DJ Mangold für gute Stimmung und ist Karikaturist der Fasnachtszeitung Moschtbölli. Edgar Bargetze lebt mit seinen zwei erwachsenen Söhnen in Triesen. In der Freizeit geht er gerne wandern und bergsteigen, malt Acryl-Bilder, hört Musik, fotografiert und betreut seine drei Eier-legenden Hühner im eigenen Weinberg. Er ist 53 Jahre alt.

Wo und wie sind Sie aufgewachsen?

Ich bin als zweiter Sohn mit zwei Brüdern als Kind eines Zimmermanns in Triesen aufgewachsen. Mein Vater hatte eine eigene Firma und unser Haus stand im Oberfeld neben dem Kanal. Bei meiner Geburt war diese Gebiet noch relativ unbebaut. Unser Haus mit der Firma stand anfangs an einer Kiesstrasse und hatte eine eigene Grundwasserpumpe und einen Güllenkasten, da das Gebiet noch nicht erschlossen war.

Wir hatten daher als Kinder ideale Verhältnisse. Rundum Felder, den Kanal und den Rhein. Dazu den Schlangenwald, die Badtobelrüfe und den Dreckhügel. Ein Platz, an dem die alte Schule in Triesen entsorgt wurde, der verwilderte und unser privater «Dreckspatz» wurde.

Die Gegend wurde dann aber über die Jahre stark verbaut mit Ein- und Mehrfamilienhäusern. Ich konnte dann mit meiner ersten Frau ein altes denkmalgeschütztes Haus im Triesner Oberdorf kaufen, bei dem ich alles selbst renovierte und zu einem wunderschönen Haus umbauen konnte. An einem tollen Ort im Oberdorf – der Römerstrasse in Triesen. Das Aufwachsen im Feld war als Kind traumhaft schön und wir konnten alles machen, was wir wollten. Jetzt im Oberdorf leben zu können ist im «Alter» aber noch viel besser…

 

Könnten Sie Ihren Werdegang schildern?

Nach der Realschule empfahlen mir meine Lehrer, mich unbedingt an einer Kunstschule anzumelden, ich wurde dort jedoch nicht aufgenommen. Schlussendlich war ich aber froh darüber, da ich als Schreiner meine Bestimmung gefunden habe. Ein Beruf, an dem ich immer noch Freude habe und der es ermöglichte, mein Haus selbstständig auszubauen – und der liegt mir sowieso, da ich gerne handwerklich arbeite. Das Grafik-Design-Diplom habe ich dann im Fernstudium nachgeholt, nachdem ich als Gemeinderat meine politische Karriere familienbedingt beendet hatte.

Gab es bestimmte Ereignisse oder Stationen, die für Ihren Werdegang prägend waren?

Die Absage der Kunstschule in St.Gallen und die politische Situation in Triesen, die mich veranlasste, politisch tätig zu werden. Dazu das Drängen meiner zweiten Frau, endlich den «brotlosen» Beruf des Handwerkers zu beenden und mich weiter zu bilden. Dies motivierte mich, die Weiterbildung in Grafik Design zu machen. Bin aber trotzdem immer noch gerne als «brotloser» Schreiner tätig, da ich das andere nebenbei erledige.

 

Gab es bestimmte Personen, die für Ihren Werdegang prägend waren?

Meine zweite Frau und eine Freundin aus der Gartenkooperative, mit der ich anfing, Liköre zu produzieren. Seit ihrem Wegzug von Liechtenstein führe ich die Firma «etze Liköre» mit Freuden selber weiter.

 

Hat Sie Ihr Umfeld in Ihrem Werdegang unterstützt?

Meistens schon. Vielfach war es mir egal und zeitweise hat mich die fehlende Unterstützung sogar motiviert.

Welchen Tätigkeiten gehen Sie derzeit nach?

Schreiner, Likör-Hersteller, Weinbauer und Grafik-Designer. Betriebsgruppen-Mitglied der Gartenkooperative Region Liechtenstein-Werdenberg und Aktmodel bei der Kunstschule Liechtenstein. Dazu DJ mit Vinyl-Platten.

 

Erfüllt Sie das, was Sie derzeit machen?

Ich bin in der glücklichen Situation, nur Tätigkeiten auszuführen, die mir Spass machen und mich erfüllen. Andere würde ich gar nicht machen wollen.

 

Denken Sie, dass Sie einen Einfluss darauf haben, ob Ihre Tätigkeiten erfüllend sind?

Ich lebe in einem Land, in dem ich die Möglichkeiten habe, das zu machen, was ich möchte. Dadurch, dass hier im Land alles relativ klein ist, ist es auch einfach, Netzwerke und Beziehungen zu nutzen.

Vieles kommt auch einfach auf einen zu. Man muss es nur nutzen. Strategien habe ich dabei keine, wüsste nicht wozu. Irgendwie hat sich alles ergeben.

Was oder wer inspiriert Sie im Alltag?

Keine Ahnung. Ich selber, mein Umfeld oder das Universum? Oder vielleicht, das Unmögliche möglich machen zu können?

 

Was oder wer gibt Ihnen im Alltag Kraft und Energie?

Meine Kinder? Das Universum? Oder der Wille, allem zum Trotz trotzdem das zu machen, was einem gefällt und sich von den Widrigkeiten nicht unterkriegen zu lassen?

Oder dass alles irgendwie funktioniert, wenn man es nur will?

Es gibt «magische Momente», in denen alles zu passen scheint. Momente, die erfüllen, inspirieren und Kraft geben. Momente, die bestätigen, dass sich der Einsatz lohnt und dass das, was man macht, sinnhaft und wertvoll ist. Haben Sie solche Momente in Bezug auf Ihre eigenen Tätigkeiten schon erlebt?

Nach der Trennung von meiner zweiten Frau gab es eine magische Zeit, in der ich glaubte, in einer «Sitcom» die Hauptrolle zu spielen. Es geschahen unglaubliche Dinge und es gab Zufälle, bei denen ich dachte, dass jemand im Hintergrund laut lachte und sich über die Situationen freute, in die ich hineingeriet. Wobei einige davon auch auf meine Kosten gingen. Was mir aber völlig egal war. Ich konnte selber darüber lachen und nur ungläubig staunen. Eigentlich passiert mir das immer noch.

Einmal wollte ich, dass mir das Universum in einer speziellen Sache einen Fingerzeig zukommen lässt. Nach der Äusserung des Wunsches schaute ich auf den Boden und hob einen Stein auf, der die Form eines Fingerzeiges hatte. Genutzt hat er mir schlussendlich nicht. Aber ein magischer Moment war es trotzdem. Erfreue mich immer noch am Stein, da er mir beweist, dass irgendetwas uns leitet. Auch wenn dasjenige manchmal einen etwas seltsamen Humor hat…

Ein magischer Moment war sicher auch, als ich mit meiner Freundin aus der Gartenkooperative blühende Fichtenzäpfchen erntete und wir entschlossen, Liköre daraus zu machen. Am Schluss hat sich alles von selbst ergeben und jetzt bin ich Likörhersteller mit eigener Firma.

Auch die Entscheidung, die alten Blauburgunder Reben auszureissen und eine neue PIWI-Sorte anzubauen, war wohl magisch. Musste noch nie spritzen. Die Reben gedeihen prächtig und es macht viel Spass. Jede Rebe hat einen Mädchennamen und so kann ich mit ihnen kommunizieren…

Als Grafiker bei Ausstellungen mitgemacht zu haben. Bei einem Schriftsteller-Wettbewerb bei den sechs Besten zu landen und in Buchform veröffentlicht zu werden und als Fotograf mit Preisen beschenkt zu werden war sicher auch recht zauberhaft…

Auch die Entscheidung für die Gartenkooperative an einem Fest als DJ tätig zu sein, entpuppte sich als recht magisch. Durfte seither schon an einer Hochzeit, in einer Disco in Chur, und beim 50-Jahre-Jubiläum des TAK auflegen und natürlich bei so manchem coolen Fest oder bei Kulturveranstaltungen.

Der Auftrag, die Corona-Plexiglas-Wände für den Landtag zu entwerfen und zu produzieren war schon auch nicht ohne.

Als super magischen Moment habe ich jedoch das Telefonat in Erinnerung, das mich aus dem Mittagsschläfchen riss und in dem ich gefragt wurde, ob ich nicht als Aktmodell für die Kunstschule posieren möchte. Das Angebot war so schräg, dass ich mich nach kurzer Bedenkzeit dazu entschied, ja zu sagen. Ich würde es heute noch bereuen, nicht zugesagt zu haben…

 

Tun Sie aktiv etwas dafür, damit sich solche magischen Momente einstellen können?

Ich glaube, aktiv dafür etwas zu machen wäre falsch. Nicht, dass ich mich treiben lasse. Ich sehe, was sich mir für Chancen ergeben und nehme sie einfach wahr. Ich denke, dass ich trotz körperlicher und seelischer Unannehmlichkeiten, die mich manchmal zu ertragen hatte, ein tolles Leben habe und geniesse die magischen Momente, die sich mir offenbaren.

Gibt es Momente, in denen Sie an dem, was Sie machen, zweifeln?

Natürlich zweifle ich manchmal am Sinn, der hinter allem steckt. Ich nehme es aber, wie es kommt. Wenn ich sehe, was in der Welt so passiert und wie es anderen auf diesem Planeten ergeht, glaube ich, dass ich mich glücklich schätzen kann, das Leben führen zu können, das ich habe.

 

Können Sie schwierigen Momenten rückblickend etwas Positives abgewinnen?

Hatte einige schwierige Momente in meinem Leben. Aus jedem davon hat sich jedoch wieder etwas Positives ergeben.

 

Gibt es etwas, was Sie rückblickend anders machen würden?

Wenn ich in der Zeit zurück gehen könnte, um etwas zu ändern, wüsste ich zwar vieles, was ich besser machen könnte und auch so einige Fehler, die ich gerne ausbügeln möchte, denke aber, dass es schon so passt, wie es geschehen ist. Konnte ja auch einiges lernen aus der Vergangenheit…

 

Möchten Sie mit Ihren Tätigkeiten etwas zur Gesellschaft beitragen?

Mit meiner Jugendarbeit konnte ich die Jugend von Triesen unterstützen. Als «Kulturminister» von Triesen konnte ich das Kulturzentrum Gasometer ins Leben rufen und auch sonst politisch so einiges erreichen.

Meine Arbeit als Betriebsgruppenmitglied in der Gartenkooperative und der Entscheid, vegetarisch zu Leben, ermöglicht es mir, ökologischer zu leben und mehr auf biologisches Gemüse und nachhaltiges Leben zu setzen. Als DJ möchte ich den Leuten mit guter Musik ein gutes Gefühl und die Lust zum Tanzen näher bringen. Als Gastwirt und Getränkehersteller die Menschen mit feinen biologischen und lokalen Getränken erfreuen. Auch die Kunstschule Liechtenstein finde ich toll und helfe daher gerne als Aktmodell aus.

Ist Ihnen die Anerkennung von anderen Personen bzw. von der Öffentlichkeit wichtig?

Nein. Hat mich nie interessiert. Im Gegenteil. Habe eher immer ein bisschen provoziert und mich einen Dreck um die Meinungen der anderen geschert. Solange ich dabei niemand verletzte, war es mir egal. Wurde trotz meines «Vorlebens» zweimal in den Gemeinderat gewählt. Vielleicht auch deshalb, weil ich meine Linie immer durchgezogen habe.

 

Wie gut können Sie von dem, was Sie beruflich tun, leben?

Komme gut über die Runden. Es gab eine Zeit, in der man mir weismachen wollte, dass man als Handwerker ein Mensch zweiter Klasse wäre und Geld verdienen das Wichtigste auf der Welt wäre. Bin froh, dass ich trotzdem weiterhin hauptberuflich als Schreiner tätig bin. Der Beruf erfüllt mich. Ich gehe am Morgen gerne zur Arbeit und sehe am Abend, was ich geleistet habe und erfreue mich am Ergebnis.

 

Gibt es etwas, das Sie derzeit besonders beschäftigt?

Klimaerwärmung. Soziale Gerechtigkeit. Die Weltpolitik. Die Schere zwischen Reich und Arm. Food Waste. Umweltverschmutzung. Die Probleme von Frauen, Transgender und unterdrückten Menschen. Rechtsradikalismus etc. etc. Es scheint mir wichtig, sich dafür einzusetzen.

 

Wofür sind Sie im Leben besonders dankbar?

Dass ich in einem Land lebe, in dem es mir gut geht und ich nicht ums Überleben kämpfen muss, sondern noch Zeit habe, mich für wichtige Sachen im Leben einzusetzen. (Wobei mir der Landesfürst gestohlen bleiben könnte…). Dass ich tolle Kinder habe, an denen ich mich erfreue und dass ich die Möglichkeit habe, mein Leben so zu leben, wie ich möchte.

Interview
Laura Hilti, April 2021


Links

Gebrüder Bargetze: www.bargetze-holzbau.li
etze Liköre: Facebook/ Instagram
Gartenkooperative: www.gartenkooperative.li


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Walter Moers, Kapt’n Blaubär, Der Schrecksenmeister, Die Stadt der träumenden Bücher & Rumo


Credits

Alle Fotos: Edgar Bargetze

Dieses Interview ist Teil des Projekts «Magic Moments» des Kunstvereins Schichtwechsel, in dessen Rahmen Menschen zu ihrem Werdegang, ihren Tätigkeiten sowie magischen und schwierigen Momenten befragt werden.

Das Projekt wird gefördert durch die Kulturstiftung Liechtenstein und die Stiftung Fürstl. Kommerzienrat Guido Feger.

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