Luigi Olivadoti arbeitet als freischaffender Illustrator für Magazine, Zeitungen und Kinderbücher und gestaltete auch schon Briefmarken für die Schweizer bzw. Liechtensteiner Post. Daneben ist er als Künstler tätig im Bereich Malerei, Zeichnung und Kunst am Bau. Für sein illustratives Werk der letzten Jahre wurde er 2020 für den Swiss Design Award des Bundesamt für Kultur der Schweiz nominiert. Luigi Olivadoti wuchs in Liechtenstein auf. Seine Familie stammt aus Kalabrien, Italien. Seit 6 Jahren wohnt er in Zürich und arbeitet im Strapazin-Atelier gemeinsam mit seiner Frau Anete Melece und 15 anderen Kreativen aus den Bereichen Illustration, Animation, Comic und Literatur. Er ist 37 Jahre alt und hat eine zweijährige Tochter.
Wo und wie sind Sie aufgewachsen?
Ich bin zusammen mit meinen Eltern, Grosseltern, Onkels und Tanten in Mauren aufwachsen, in einem alten Haus mit grossem Garten, mit Hühnern, Schweinen und einem alten Esel. Leider steht heute da ein hässliches Wohnhaus. Es war immer viel los, ständig waren Verwandte und Freunde auf Besuch. Es war eine schöne Zeit.
Könnten Sie Ihren Werdegang schildern?
Ich habe schon immer gerne gezeichnet und wollte unbedingt etwas lernen, was damit zu tun hat. Aber leider konnte ich mich lange nicht entscheiden, beziehungsweise wusste ich auch nicht, was alles möglich war. Die Aufnahmeprüfung für den Vorkurs schaffte ich damals nicht. Deswegen studierte ich zuerst Kunst an einer privaten Schule, der F+F Schule für Kunst und Design, in Zürich. Danach studierte ich zwei Jahre Modedesign an einer kleinen Schule in Zürich (die heute auch Teil der F+F ist). Dort schloss ich ab, aber irgendwie konnte ich nie Fuss fassen in der Modewelt. Ich zeichnete lieber und die Modewelt interessierte mich nicht mehr so sehr. Mit der Zeit fühlte mich auch etwas nutzlos, alle meine Schulfreunde hatten schon ihre Ausbildung hinter sich und standen mitten im Leben. Daher entschloss ich mich, etwas «Sicheres» zu lernen. Ich studierte Grafik an der F+F und schloss nach drei Jahren mit Auszeichnung ab. Eigentlich wollte ich aber an der Hochschule Luzern Illustration studieren, aber hatte das erste Mal die Aufnahmeprüfung nicht bestanden. Also versuchte ich es nach drei Jahren wieder, einfach um zu wissen, ob ich es schaffen könnte und ich schaffte es dann auch… und studierte dann doch nochmals drei Jahre. Im Nachhinein klingt es nach einem riesigen Umweg. Aber irgendwie hat sich alles gelohnt, auch wenn ich damit wahrscheinlich die Geduld meiner Eltern überstrapaziert habe.
Gab es bestimmte Ereignisse oder Stationen, die für Ihren Werdegang prägend waren?
Kein bestimmtes Erlebnis, aber es waren immer wieder Menschen für mich da, die an mich geglaubt haben, auch wenn ich es selber nicht konnte. Das klingt ein bisschen abgedroschen, aber sie waren immer eine grosse Hilfe. Allen voran meine Eltern, meine Klassenlehrerin in der Oberschule Carolin, der Zeichnungslehrer im 10. Schuljahr, dessen Namen ich leider vergessen habe, und natürlich ganz viele andere, die ich jetzt nicht alle aufzähle.
Hat Sie Ihr Umfeld in Ihrem Werdegang unterstützt?
Meine Eltern und Lehrer haben mich immer ermutigt. Manchmal hat es viel Geduld gebraucht, aber es hat sich am Ende doch ausbezahlt.
Welchen Tätigkeiten gehen Sie derzeit nach?
Ich bin freischaffender Illustrator und Künstler. Zurzeit illustriere ich ein Kinderbuch über einen Kuckuck, der aus den Ferien zurückkommt, welches im Frühling 2021 im Atlantis Verlag erscheint. Diesen Herbst werde ich auch das Kunst am Bau Projekt umsetzen, welches ich letztes Jahr – als Teil eines eingeladenen Wettbewerbs der Gemeinde Vaduz – für mich entscheiden konnte. Ich werde die Tiefgarage und das Treppenhaus des Gebäudes mit einer bunten Darstellung von Menschen bemalen. Ich bin schon gespannt, wie es wird. Daneben arbeite ich noch an meinem eigenen Kinderbuch und immer wieder illustriere ich für Zeitschriften, Zeitungen und Bücher.
Erfüllt Sie das, was Sie derzeit machen?
Es erfüllt mich sehr und ich fühle mich sehr glücklich dabei. Es hat aber auch sehr viel Zeit, Geduld und Übung gekostet. Was mir immer am besten gefällt sind selbstinitiiere Projekte, wo ich völlig frei sein kann, zum Beispiel Comics, Kinderbücher oder Kunstprojekte. Aber grundsätzlich habe ich bei vielen Projekten Spass, auch wenn es Auftragsarbeiten sind.
Denken Sie, dass Sie selbst darauf einen Einfluss haben, ob Ihre Tätigkeiten erfüllend sind?
Ich denke schon und bestimmt fällt es nicht vom Himmel. Ich arbeite in einem Atelier mit vielen interessanten und tollen Menschen. Ich finde, das eigene Umfeld ist sehr wichtig. Viele Freunde und Bekannte sind auch alle in der kreativen Welt unterwegs, so ergibt sich auch vieles von selbst. Zum Beispiel kann es sein, dass jemand gerade keine Kapazität hat für einen Auftrag oder dass man zusammen ein Projekt in Angriff nimmt – oder man wird von Freunden weiterempfohlen, das kann nie schaden. Gleichzeitig funktioniert es aber auch ganz gut, wenn meine Frau und ich alleine zu Hause arbeiten, zumindest haben wir das während der Corona Zeit gemerkt. Sie ist auch Illustratorin, so kann man sich gut austauschen.
Was oder wer inspiriert Sie im Alltag?
Ich denke, man muss vieles aufnehmen, wie ein Schwamm. Eindrücke auf der Strasse, auf Reisen, in Filmen und Musik, die einen bewegen, spannende Comics und Bücher, Zeitungsartikel etc. Ich mache auch viele Skizzen unterwegs. Es kann auch etwas völlig Unerwartetes sein und ich denke oft, man sollte sich nicht zu sehr versteifen auf etwas. Ich habe auch ein eigenes «Bildarchiv», sprich einen Ordner auf meinem Computer, der «Inspiration» heisst, da sammle ich viele Bilder, die mir gefallen und die man vielleicht nicht so oft sieht. Die eigene Familiengeschichte inspiriert mich auch immer. Da gibt es viele Anekdoten und Erzählungen, die sich von selbst ergeben. Man muss eigentlich nicht so weit suchen. Für ein Kinderbuch, an dem ich gerade arbeite, habe ich mich zum Beispiel meiner eigenen Kindheitserinnerung bedient. Es wird eine Geschichte über einen Jungen sein, der seine Freunde in den Sommerferien nicht verlassen will, um mit seinen Eltern nach Kalabrien zu fahren. Doch am Ende des Sommers, der voller Abenteuer war, ist er traurig, wieder wegzugehen.
Was oder wer gibt Ihnen im Alltag Kraft und Energie?
Eine To-Do-Liste ist ganz hilfreich, immer wieder etwas Neues ausprobieren und offen sein für Neues – und natürlich die Kaffeemaschine in unserem Atelier. Man darf auch nie zu schnell aufgeben. Zum Beispiel bei Bildern, die ich nicht fertig male, weil ich das Gefühl habe, dass es nix wird oder dass ich sie vermasselt habe. Oft lohnt es sich, ihnen eine zweite Chance zu geben oder einfach weiterzumachen, am Schluss kommt doch etwas dabei raus.
Es gibt Momente, in denen alles zu passen scheint. Momente, die einen erfüllen, inspirieren und die einem Kraft und Zuversicht gehen. Momente, die einen darin bestätigen, dass sich der Einsatz lohnt und dass das, was man macht, sinnhaft und wertvoll ist. Haben Sie solche «magischen Momente» in Bezug auf Ihre eigenen Tätigkeiten schon erlebt?
Ich weiss nicht, ob es ein magischer Moment ist, aber ich freue mich immer sehr, wenn meine Arbeiten eine Reaktion auslösen. Zum Beispiel wenn mir eine Autorin eines Textes schreibt, den ich illustriert habe, wie sehr ihr die Bilder zu ihrem Text gefallen, wie inspirierend es für sie ist oder wie toll die Farben sind, das finde ich schon sehr erfüllend. Wenn irgendetwas rüberkommt, irgendeine Art von Gefühl oder etwas, was vielleicht zum Nachdenken anregt, dann bin ich schon sehr glücklich.
Tun Sie aktiv etwas dafür, damit sich solche «magischen» Momente einstellen können?
Ich gebe mir Mühe, immer mein Bestes zu geben und mich nicht gleich mit der ersten Idee zufriedenzugeben. Aber ab und zu kann auch die erste Idee die beste sein und es hat einfach noch eine «Runde um den Block» gebraucht, um das zu merken.
Gibt es Momente, in denen Sie an dem, was Sie machen, zweifeln?
Ich zweifle eigentlich oft an mir, weil ich irgendwie immer «besser» werden will in dem, was ich mache. Wenn ich etwas wiederhole, fühlt es sich schnell zu routiniert an. Ich weiss dann, dass ich zum Beispiel einfach nochmals eine Version zeichnen muss oder einfach etwas anders ausprobieren muss. Eine andere Perspektive, Farbe, oder ein anderes Sujet. Trial & Error. Ich bin leider kein Genie, ich probiere einfach so lange, bis etwas passt. Dabei entstehen auch oft Sachen, die ich später wiederverwenden kann.
Können Sie schwierigen Momenten rückblickend etwas Positives abgewinnen?
Im Nachhinein vielleicht schon, es braucht aber auch oft etwas Distanz, um daraus etwas zu lernen und ich finde, es hat auch oft mit der eigenen Einstellung zu tun. Wenn ein Pitch für einen Auftrag nicht geklappt hat, hat man ja doch etwas draus gelernt. Oder wenn ich etwas zeichne, was ich dann nicht verwenden kann, finde ich immer wieder eine Verwendung dafür oder ich habe für mich etwas gelernt.
Gibt es etwas, was Sie rückblickend anders machen würden?
Nein. Ich habe schon oft daran gedacht, was wäre, wenn ich das und dies gemacht hätte, aber am Ende finde ich es doch ganz gut, wo ich im Moment bin.
Möchten Sie mit Ihren Tätigkeiten etwas zur Gesellschaft beitragen?
Im besten Fall schon, wenn ich mit meiner Arbeit auf etwas hinweisen kann, zum Nachdenken anregen kann, oder einfach nur jemandem eine Freude bereite. Es ist vielleicht nur etwas Kleines, aber ich finde es wichtig.
Ist Ihnen die Anerkennung von anderen Personen bzw. von der Öffentlichkeit wichtig?
Es freut mich immer besonders, wenn sich ein Kunde oder eine Autorin eines Textes bei mir meldet und sich bedankt, oder wenn die Verlegerin oder Auftraggeber mich mit Komplimenten überschütten. Ich bin dann dafür umso skeptischer oder trauriger, wenn keine Reaktionen kommen. Ich mag auch Likes auf Instagram auf Facebook bzw. die positiven Kommentare. Aber in Endeffekt muss es mir selber gefallen. Es ist auch interessant, wie unterschiedlich die Reaktionen zu etwas sein können und wie viel hineininterpretiert wird in meine Arbeit. Ich bin dann auch oft selber überrascht, was die Leute alles darin erkennen.
Wie gut können Sie von dem, was Sie beruflich tun, leben?
Es hat eine Weile gedauert, aber eigentlich können meine Frau und ich ganz gut von dem leben, was mir machen. Wir haben auch mehr oder weniger alles, was wir brauchen und ich zahle sogar alle drei Säulen ein. Es fehlt nur noch ein Auto und ein Flachbildschirm, dann sind wir fast eine «normale» Familie.
Wofür sind Sie im Leben besonders dankbar?
Dass ich mein Leben so leben kann, wie ich möchte. Ich vergesse gelegentlich, dass es nicht so selbstverständlich ist.
Interview
Laura Hilti, Juli 2020
Links
www.luigiolivadoti.li
www.instagram.com/luigiolivadoti
www.strapazin.ch
Publikation «Im Boccia Club» von Luigi Olivadoti (Verlag: Kunstverein Schichtwechsel)
Publikation «Antonio» von Luigi Olivadoti (Verlag: Kunstverein Schichtwechsel)
Credits
Portrait: Martina Meier
Foto Schreibtisch: Christian Schiller
Briefmarke Helvetia: Die Schweizerische Post AG
Briefmarke Liechtenstein: Liechtensteinische Post AG
Alle anderen Bilder: Luigi Olivadoti
Dieses Interview ist Teil des Projekts «Magic Moments» des Kunstvereins Schichtwechsel, in dessen Rahmen Menschen zu ihrem Werdegang, ihren Tätigkeiten sowie magischen und schwierigen Momenten befragt werden.
Kuratiert von Stefani Andersen und Laura Hilti, Kunstverein Schichtwechsel.
Gefördert durch die Kulturstiftung Liechtenstein und die Stiftung Fürstl. Kommerzienrat Guido Feger.