Nach der Matura machte Eliane Schädler den Vorkurs an der Zürcher Hochschule der Künste und studierte anschliessend «Illustration Fiction» an der Hochschule Luzern Design & Kunst. Seit ihrem Abschluss im Jahr 2016 arbeitet sie als selbstständige Illustratorin. Am liebsten wechselt sie zwischen intensiven Entdeckungstouren quer durch Europa und entspannten Zeiten im Atelier ab. Seit knapp zwei Jahren verbringt sie mit ihrem Freund Adam mindestens vier Monate pro Jahr irgendwo auf Reisen. Diesen Spagat möchte sie weiterhin beibehalten. Eliane Schädler stammt aus Triesenberg in Liechtenstein und ist 28 Jahre alt.

Wo und wie sind Sie aufgewachsen?

Wo: Ich bin ganz klassisch in einem Einfamilienhaus mit Garten, Gartenzaun, Hühnern, Katzen, Brüdern und Eltern aufgewachsen. Diesen Ort verliess ich nur immer für kurze Zeitspannen, bis es mich dann mit 19 Jahren schliesslich nach Zürich zog.

Wie: Mit viel Freiheiten, Unbeschwertheit und sehr viel Streit mit meinen Brüdern. Da sie mir dermassen auf den Geist gingen, packte ich irgendwann kurzerhand meine sieben Sachen und zog ein paar Häuser weiter die Strasse hinunter und bei meinen Nachbarinnen ein. Drei Mädchen in meinem Alter… das war doch viel schöner.

«Das Stromhaus», 2018
«Das Stromhaus», 2018

Könnten Sie Ihren Werdegang schildern?

Klassischer Werdegang: Nach der Matura habe ich den Vorkurs an der Zürcher Hochschule der Künste gemacht, was mich dann zum Studium «Illustration Fiction» an der Hochschule Luzern Design&Kunst brachte. Seit dem Abschluss versuche ich mich als selbstständige Illustratorin durchzuschlagen. Zu Beginn noch mit diversen Nebenjobs, seit einiger Zeit verdiene ich meinen Lebensunterhalt nun jedoch ganz mit Zeichnen.

 

Gab es bestimmte Ereignisse oder Stationen, die für Ihren Werdegang prägend waren?

Vermutlich schon, aber ich habe das nie so wahrgenommen. Ich habe meinen Werdegang immer als ganz selbstverständlich gesehen. Es ist auch nicht so, dass Illustratorin schon immer mein Traumberuf gewesen wäre. Schliesslich wusste ich lange nicht einmal, dass das ein «echter» Beruf ist. Ich bin einfach immer meinen Interessen gefolgt, bin nun hier gelandet und habe meinen momentanen Traumberuf gefunden.

 

Gab es bestimmte Personen, die für Ihren Werdegang prägend waren?

Sicher meine Nana, die mir die Liebe zum Malen und für Farben mitgegeben hat. Immer wenn ich genug lästig tat, wurde ihre Wohnung zum Atelier umgebaut, sie zeigte mir den richtigen Umgang mit Ölfarben und ich durfte stundenlang sudeln.

Es gibt vermutlich unzählige Personen aus meinem Umfeld, die auf ihre eigene Art inspirierend für mich waren und somit prägend für meinen Werdegang. Wer, wann und auf welche Art vermag ich aber nicht zu sagen.

 

Hat Sie Ihr Umfeld in Ihrem Werdegang unterstützt?

Ja, immer. Auch in meinem Umfeld wurde mein Werdegang als selbstverständlich angesehen und Skepsis oder Zweifel bekam ich nie zu spüren.

Im Atelier in Luzern
Unterwegs in unserem mobilen Zuhause

Welchen Tätigkeiten gehen Sie derzeit nach?

Seit 2019 arbeite ich als selbstständige Illustratorin. Meine Tätigkeit setzt sich also aus ca. 35% Kommunikation und Büroarbeit, 55% Zeichnen und 10% Prokrastinieren zusammen.

 

Erfüllt Sie das, was Sie derzeit machen?

Es erfüllt mich sehr. Natürlich hätte ich manchmal gerne mehr Zeit für eigene Projekte und es ist auch nicht jeder Auftrag das Gelbe vom Ei, doch alles in allem bin ich überzeugt, den tollsten Beruf der Welt zu haben.

 

Denken Sie, dass Sie selbst darauf einen Einfluss haben, ob Ihre Tätigkeiten erfüllend sind?

Ja natürlich. Auch wenn eben nicht jeder Auftrag das Gelbe vom Ei ist und nicht jede/r Auftragsgeber/in Beste-Freundin-Potential hat, kann ich doch aus jeder Aufgabe sehr viel dazu lernen – sei es technischer oder menschlicher Natur. Manchmal muss ich mir das einfach wieder kurz vor Augen führen, dann ist meine Arbeit gleich wieder erfüllend.

 

Was oder wer inspiriert Sie im Alltag?

Einerseits das Leben an sich und andererseits das Internet. Die unglaubliche Vielfallt von absolut genialen ZeichnerInnen, denen ich z.B. auf Instagram folge und deren Bilder mich jeden Tag aufs Neue zum Schwärmen bringen, inspirieren und motivieren mich sehr.

 

Was oder wer gibt Ihnen im Alltag Kraft und Energie?

Am meisten Kraft und Energie gibt mir jeden Tag aufs Neue die Entscheidung, keinen Wecker zu stellen.

So ein entspanntes Aufwachen zieht sich positiv durch den ganzen Tag und gibt mir genug Kraft und Energie für einen wachen und produktiven Tag. Das kann ich allen sehr empfehlen.

«Florale», 2018

Es gibt «magische Momente», in denen alles zu passen scheint. Momente, die erfüllen, inspirieren und Kraft geben. Momente, die bestätigen, dass sich der Einsatz lohnt und dass das, was man macht, sinnhaft und wertvoll ist. Haben Sie solche Momente in Bezug auf Ihre eigenen Tätigkeiten schon erlebt?

Schöne, berührende und prägende Momente gibt es oft, magische Momente sind seltener und kommen bei mir in der Regel Hand in Hand mit Staunen und Schwärmen. Das passiert meistens in der Natur, kann aber auch hin und wieder im Alltag und im Atelier geschehen.

Immer mal wieder überwältigt mich das Gefühl des Erschaffens. Die Tatsache der unbegrenzten Möglichkeiten mit einem Stift und einem Blatt Papier bringen mich wiederkehrend zum Schwärmen.

Magische Momente, wie die Frage sie definiert, gehen bei mir mit einer Art Anerkennung zusammen.

Das zufriedene Zurückblicken auf ein intensives Projekt, wenn Anerkennung für meine geleistete Arbeit von Aussen aber gleichzeitig von mir selbst kommt, führt auch zu diesen erfüllenden Momenten.

 

Tun Sie aktiv etwas dafür, damit sich solche magischen Momente einstellen können?

Nicht bewusst.

«Der geheimnisvolle Wolf», Liechtensteinische Sage, Liechtensteinisches Landesmuseum, 2021

Gibt es Momente, in denen Sie an dem, was Sie machen, zweifeln?

Ich habe immer wieder Zweifel in Bezug auf meine eigenen künstlerischen Fähigkeiten. Wie ich damit umgehe, weiss ich eigentlich gar nicht genau. Einfach weitermachen, das Beste geben und dann verfliegen sie meistens so schnell, wie sie gekommen sind.

 

Können Sie schwierigen Momenten rückblickend etwas Positives abgewinnen?

In der Regel schon, aber da müsste man zuerst «schwierig» definieren.

Grundsätzlich bin ich ein optimistischer Mensch und tue mich selten schwer, das Beste aus Momenten mitzunehmen.

 

Möchten Sie mit Ihren Tätigkeiten etwas zur Gesellschaft beitragen?

Ich möchte mit meinen Bildern Freude bereiten. Wenn ich sehe, dass meine Arbeit unterhaltet, die Leute zum Eintauchen bringt und einfach Spass macht, ist das das Grösste. Ich sehe Unterhaltung als ein sehr wichtiges, wenn auch nicht immer ganz bewusstes Grundbedürfnis vom Menschen, und wenn ich da meinen kleinen Teil beitragen kann, bin ich zufrieden.

 

Ist Ihnen die Anerkennung von anderen Personen bzw. von der Öffentlichkeit wichtig?

Ja klar. Ich sehe das als Massstab für die Qualität meiner Arbeit. Wenn meine Illustrationen nicht gut ankommen, haben sie in der Regel ihr Ziel verfehlt, sprich, ich habe meine Arbeit nicht gut gemacht.

 

Wie gut können Sie von dem, was Sie beruflich tun, leben?

Mit meinem Lebensstil kann ich ganz gut leben. Ich habe seit meinem Studentendasein zwar kein grosses Lebensstil-Upgrade durchgemacht, aber hatte trotzdem nie das Gefühl, zu wenig zu haben.

Deshalb denke ich auch nicht, dass meine finanzielle Situation einen Einfluss auf meinen Alltag oder meine Tätigkeiten hat. Wenn Geld keine Rolle spielen würde, würde ich aber sicher mehr an eigenen Projekten arbeiten und mir die sonnigen Tage frei nehmen.

«Liechtensteiner Jasskarten», 2020

Gibt es etwas, das Sie derzeit besonders beschäftigt?

Wie vermutlich so viele, beschäftigt mich der absurde Zustand der Welt und meine Rolle darin.

 

Gibt es etwas, womit Sie sich in Zukunft gerne (verstärkt) beschäftigen würden?

Ich möchte gerne mehr «Sinnvolles» machen, das mir aber entspricht. Diesen Spagat zwischen Unterhaltung und tieferem «Nutzen» würde ich gerne für mich herausfinden und anpacken.

Ein erster Schritt in diese Richtung ist das erste Kinderbuch in Leichter Sprache aus Liechtenstein, das Mitte Januar 2021 erscheint. «Linus und der Kakapo» erzählt Geschichten aus dem Leben von Linus, einem Jungen mit Downsyndrom aus Triesenberg. Der Text ist in Leichter Sprache und auch die Illustrationen und die gesamte Aufmachung vom Buch richtet sich nach den Richtlinien für Leichte Sprache. Es ist nicht nur ein Buch, das von vielen Menschen gut verstanden werden kann, sondern gibt gleichzeitig einen Einblick in das Leben einer Person mit Behinderung und soll so helfen aufzuklären und Brücken zu bauen.

Das ist ein erstes Projekt für mich in eine Richtung, die in meinen Augen einen starken Mehrwert hat. Wie und mit was genau ich mich in Zukunft gerne konkret beschäftigen würde, steht noch in den Sternen. Klar ist für mich nur, dass ich eben diesen Mehrwert verstärkt suchen und finden will.

«Linus und der Kakapo», 2021

Wofür sind Sie im Leben besonders dankbar?

Für die lieben Menschen um mich herum und auch dafür, dass bei mir Selbstverwirklichung über Existenzsicherung stehen darf und ich deshalb meinem Traumberuf nachgehen kann.

Aber auch für den Mai, der die Kirschen bringt und den Regen, der meinen Kater endlich ins Haus treibt. Diese Liste könnte noch endlos fortgesetzt werden, aber ich finde, dass alle, die tatsächlich bis hierher gelesen haben, nun aber wirklich genug gelesen haben und sich ein Gläschen Wein gönnen sollten. Das mache ich jetzt auch.

Vielen Dank für das Interview!

Interview
Laura Hilti, Januar 2021


Links

www.elianeschaedler.com

 

Credits
Alle Fotos: Eliane Schädler

Dieses Interview ist Teil des Projekts «Magic Moments» des Kunstvereins Schichtwechsel, in dessen Rahmen Menschen zu ihrem Werdegang, ihren Tätigkeiten sowie magischen und schwierigen Momenten befragt werden.

Das Projekt wird gefördert durch die Kulturstiftung Liechtenstein und die Stiftung Fürstl. Kommerzienrat Guido Feger.

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