Jacqueline Beck absolvierte eine Tanzausbildung in Zürich und New York und war danach während fünf Jahren als Tänzerin tätig. Seit ihrem 30. Lebensjahr arbeitet sie in ihrem Wunschberuf als Choreografin. Sie hat in Liechtenstein eine Tanzschule aufgebaut und unterrichtet auch professionelle junge Tänzerinnen und Tänzer in zeitgenössischem Tanz. Unter anderem war sie als Hauschoreografin bei der Cinevox Junior Company in Neuhausen am Rheinfall tätig und ihre Choreografien wurden international ausgezeichnet. Ihre Leidenschaft fürs Fotografieren, die sie schon in jungen Jahren entwickelte, entdeckte sie vor rund zehn Jahren wieder. Dieses Jahr stellt sie ihre Arbeiten – in Kombination mit einem Tanzstück – zum ersten Mal öffentlich aus. Jacqueline Beck lebt in Schaan und ist 59 Jahre alt.

Wo und wie sind Sie aufgewachsen?

Ich bin in Schaan aufgewachsen. Meine Mutter war Hausfrau und mein Vater arbeitete als Treuhänder und war viele Jahre Vorsteher von Schaan. Da meine Eltern oft an offiziellen Anlässen teilnehmen mussten, durfte ich viel Zeit bei meinen Grosseltern in Grabs verbringen.

Ich liebte es, meiner Grossmutter Amalie, die als Homöopathin arbeitete, zuzuschauen. Wenn Eltern «Malis» magische Zahnkügelchen für ihre Kinder abholten, waren sie immer voll des Lobes über den Erfolg dieser Medizin. Das freute mich sehr, denn dann strahlte meine Grossmutter über das ganze Gesicht. Mein Grossvater «Michel» war Schlosser von Beruf und auch sein Handwerk faszinierte mich als Kind. Ich liebte den Geruch in seiner Werkstatt und schaute ihm stundenlang beim Arbeiten zu.

Wenn ich zurückblicke, haben mir meine Eltern und Grosseltern viel Gutes auf meinen künstlerischen Weg mitgegeben.

 

Könnten Sie Ihren Werdegang schildern?

Ich absolvierte meine Tanzausbildung an der Zürich Tanz Theater Schule und im New Dance Group Studio (Sophie Mazlow) in New York. Nach meiner Ausbildung war ich als Tänzerin beim Zürich Tanz Theater und Contemporary Dance Zurich unter der Leitung von Paula Lansley engagiert. Mit ca. 30 Jahren beendete ich meine Tanzkarriere und begann, als Choreografin zu arbeiten. Seit 1994 entstanden etliche Choreografien für die Cinevox Junior Company, TAK Theater Liechtenstein, Daburu(T) Tanz & Theater, Carambole Tanz & Theater, Walk Tanztheater/A und viele mehr. Seit 2015 bin ich Lehrbeauftragte an der Kunstschule Liechtenstein und seit 2017 Prüfungsexpertin an der Höheren Fachschule für Zeitgenössischen und Urbanen Tanz in Zürich.

«Die hohe Kunst des Wegschauens»

Gab es bestimmte Ereignisse oder Stationen, die für Ihren Werdegang prägend waren?

Prägend für meinen Werdegang als Choreografin waren sicherlich die Teilnahmen an verschiedenen Wettbewerben im Ausland. 1994 gewann ich den 3. Preis beim internationalen Choreografen-Wettbewerb in Hannover. 1996 & 1999 nahm ich am Int. Ballet and Modern Dance Competition in Nagoya / Japan teil. 1996 erreichten wir das Finale und 1999 war ich Choreografin der Silbermedaillen Gewinner. An diesen für Choreografen wichtigen Wettbewerben teilzunehmen war für mich spannend. Ich konnte mich mit der Welt messen und gleichzeitig öffneten sie mir auch Türen.

 

Gab es bestimmte Personen, die für Ihren Werdegang prägend waren?

Es gab viele wichtige Menschen, die mich auf meinem künstlerischen Weg unterstützten und prägten. Allen voran meine Mutter Agathe. Ohne sie hätte ich als alleinerziehende Mutter viele künstlerische Wege gar nicht gehen können. Sie hat mich bei der Betreuung der Kinder unglaublich unterstützt und war in schwierigen Zeiten immer für mich da. Ich hatte viel Glück in meinem beruflichen Werdegang. Der Beruf des Choreografen ist sehr männerdominiert. Trotzdem ergaben sich für mich wunderbare Chancen, die ich gerne ergriffen habe.

 

Hat Sie Ihr Umfeld in Ihrem Werdegang unterstützt?

Nicht alle in meinem Umfeld haben mich unterstützt. Einigen kam mein Berufswunsch utopisch vor und sie haben wohl insgeheim gehofft, dass ich die Flinte ins Korn werfe. Das hat mich aber nur noch mehr bestärkt, diesen Weg zu gehen.

«Water»

Welchen Tätigkeiten gehen Sie derzeit nach?

Die Fotografie hat im Moment einen hohen Stellenwert in meinem künstlerischen Schaffen. Ich habe das Glück, dass ich immer Menschen treffe, die sich gerne fotografieren lassen. Ich liebe es, meine Bilder zu inszenieren und meine Protagonisten in Kunstfiguren zu verwandeln. Meine Liebe zur Mode kann ich im Einkleiden der Modelle voll ausleben. Da ich nicht von der Fotografie leben muss, spüre ich unendlich viel Freiheit. Kein Druck wird aufgebaut und meine Kreativität kann fliessen. Ich werde mein Leben lang Choreografin bleiben. Der Wunsch Tänze zu erfinden, ist immer ein Teil von mir. Somit ist alles offen…

 

Erfüllt Sie das, was Sie derzeit machen?

Ja! Wenn mich meine Tätigkeit nicht mehr erfüllen würde, dann müsste ich aufhören und mir etwas anderes suchen. Ich bin nur dann gut in meinem Beruf, wenn ich eine Leidenschaft dafür spüre.

 

Was oder wer inspiriert Sie im Alltag?

Wenn ich Tanztheater-Projekte entwickle, dann ist es immer die Musik, die meine künstlerische Triebfeder ist und die in mir Bilder erwachen lässt. Eine gewaltige Inspiration! In der Fotografie ist es so, dass mich der Mensch fasziniert und auch die Umgebung, in der ich fotografiere.

 

Was oder wer gibt Ihnen im Alltag Kraft und Energie?

Meine Freunde und meine Familie.

«Bird in a cage», 2020

Es gibt «magische Momente», in denen alles zu passen scheint. Momente, die erfüllen, inspirieren und Kraft geben. Momente, die bestätigen, dass sich der Einsatz lohnt und dass das, was man macht, sinnhaft und wertvoll ist. Haben Sie solche Momente in Bezug auf Ihre eigenen Tätigkeiten schon erlebt?

Es gibt viele solcher Momente in meiner Tätigkeit als Choreografin und ich erlebe diese Magie auch in der Fotografie. Sie lösen Gefühle in mir aus, die unbeschreiblich sind. Mir fehlen die Worte.

 

Gibt es Momente, in denen Sie an dem, was Sie machen, zweifeln?

Ich zweifle oft an mir und denke immer, dass ich dies oder jenes hätte besser machen sollen. Diese Gefühle sind es jedoch auch, die mich als Künstlerin vorantreiben. Überheblichkeit hat keinen Platz. Ich brauche die Herausforderung und stelle mich gerne grossen Aufgaben.

 

Können Sie schwierigen Momenten rückblickend etwas Positives abgewinnen?

Wenn ein Projekt schwierig war oder es Probleme mit einzelnen Personen in der Gruppe gab, habe ich mir immer geschworen, dass ich mir das nie mehr antue. Rückblickend jedoch habe ich gerade in den schwierigen Projekten gelernt, auch auf mich zu hören und zukünftig bessere Entscheidungen zu fällen. Da ich in meinen Projekten immer mit Menschen zu tun habe, musste ich auch stark an mir arbeiten und lernen, dass ich mit Sturheit keinen Schritt schneller ans Ziel komme. Ich musste immer wieder neu spüren, was eine bestimmte Gruppe braucht, wie ich am schnellsten vorankomme, ohne zu stark Druck auszuüben. Mein künstlerischer Anspruch ist immer sehr hoch. Ich habe erfahren, dass ich auf meine Erfahrung vertrauen kann. Ich kann auf viele, sehr erfolgreiche Arbeiten zurückblicken und daraus Kraft, Selbstvertrauen und Energie schöpfen.

«Girl with flowers»

Gibt es etwas, was Sie rückblickend anders machen würden?

Ich wünschte, ich hätte meine Zeit als Tänzerin – aktiv auf der Bühne – mehr genossen. Ich übte sehr viel Druck auf mich selber aus. Ich war sehr selbstkritisch und arbeitete hart. Diese Zeit war kurz und ist wahnsinnig schnell vergangen. Auf diese Zeit blicke ich eher wehmütig zurück.

 

Möchten Sie mit Ihren Tätigkeiten etwas zur Gesellschaft beitragen?

Ich kann beobachten, dass das Interesse der Gesellschaft für den Tanz gewachsen ist. Der Zeitgenössische Tanz ist kein Tanzstil mehr, den nur ein paar Auserwählte kennen. Der Tanz hat eine Kraft, das Innerste im Menschen zu berühren.

 

Ist Ihnen die Anerkennung von anderen Personen bzw. von der Öffentlichkeit wichtig?

Für mich darstellende Künstlerin ist es wichtig, die Anerkennung der Öffentlichkeit zu haben. Das Publikum, die Reaktionen des Einzelnen zu spüren… Die Anerkennung diktiert nicht mein künstlerisches Schaffen, aber sie ist wichtig und nährt mich als Künstlerin. Sie treibt mich weiter und gibt mir Selbstvertrauen.

 

Wie gut können Sie von dem, was Sie beruflich tun, leben?

Ich kann gut davon leben. Mein Lohn setzt sich aus verschiedenen Posten zusammen. Einerseits meine Lehrtätigkeit, dann mein Schaffen als Choreografin und die Regiearbeit am Theater wie z.B. Grimm & Co. und die Realisierung von eigenen Tanz und Theaterproduktionen.

 

Gibt es etwas, das Sie derzeit besonders beschäftigt?

Ich beschäftige mich im Moment intensiv mit der Fotografie. Der Tanz hat etwas sehr Flüchtiges und man kann die magischen Momente im Tanz nicht einfrieren. Mit der Fotografie kann ich aussergewöhnliche Menschen und Geschichten in Bildern festhalten. Die Arbeit als Choreografin ist immer grosser Bestandteil meiner künstlerischen Tätigkeit. Ich erarbeite im Moment gemeinsam mit Katja Langenbahn die Tanz & Theaterproduktion «die Vernissage im Anderland» im GZ Resch in Schaan. Bestandteil dieser Produktion ist auch meine erste Fotoausstellung in Liechtenstein am 14./15. November 2020. Darauf freue ich mich sehr.

 

Wofür sind Sie im Leben besonders dankbar?

Für meine Freunde und Familie.
Für alles, was ich von anderen Menschen lernen darf.

Dass mein Traum zu tanzen und als Choreografin zu arbeiten, wahr geworden ist. Mit der Fotografie kann ich eine andere Form meines künstlerischen Ausdrucks entdecken. Dafür bin ich dankbar.

Interview
Laura Hilti, November 2020


Links

www.tanzundtheater.li 


Credits
Portraitfoto: Flurina Seger
Alle anderen Fotos: Jacqueline Beck

Dieses Interview ist Teil des Projekts «Magic Moments» des Kunstvereins Schichtwechsel, in dessen Rahmen Menschen zu ihrem Werdegang, ihren Tätigkeiten sowie magischen und schwierigen Momenten befragt werden.

Das Projekt wird gefördert durch die Kulturstiftung Liechtenstein und die Stiftung Fürstl. Kommerzienrat Guido Feger.

 

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