Karin Schuh studierte visuelle Kommunikation mit Vertiefung Illustration in Luzern. Anschliessend sammelte sie Erfahrungen mit Auftragsarbeiten für Bühnenbilder, Illustrationen und dem Arbeiten mit Kindern und Jugendlichen. Unter anderem war sie in Mar del Plata, Argentinien, wo sie bei der Organisation Ceremap gestalterische Workshops durchführte. 2008 begann sie, selbstständig als bildende Künstlerin im Atelier zu arbeiten und sich für Ausstellungen und Stipendien zu bewerben. Den Master in Fine Arts in Contemporary Arts Practice schloss sie mit Auszeichnung ab. Seither hat sie als Künstlerin diverse Stipendien erhalten und Wettbewerbe gewonnen. Seit 2015 unterrichtet sie an der Kunstschule Liechtenstein. Derzeit arbeitet sie in ihrem Atelier in der Roten Fabrik in Zürich an zwei Bildserien für kommende Ausstelllungen und bereitet die Unterrichtseinheiten für September vor. Karin Schuh ist 41 Jahre alt. Sie wohnt in Zürich und ist Mutter von zwei kleinen Kindern.

Wo und wie sind Sie aufgewachsen?

In der Stadt Zürich an verschiedenen Orten, mit meiner alleinerziehenden Mutter. Später habe ich zeitenweise auch bei meinem Vater gelebt. Ich hatte keine Geschwister, viele Haustiere. Mit meinem Hund verbrachte ich viel Zeit im Wald am Klettern, Lesen und Geschichten Schreiben. In meiner Erinnerung sind dies zufriedene Tage voller Freiheit.

 

Könnten Sie Ihren Werdegang schildern?

Es gibt keinen Werdegang in dem Sinne. Rückblickend und auch aktuell ist da eine grosse Unklarheit und Unsicherheit; ein Ziehen und Stossen in unterschiedliche Richtungen. Die Konstante ist der Drang zum Zeichnen und Malen. Neben den gestalterischen Tätigkeiten habe ich immer gearbeitet im Gastgewerbe oder in der Kunsthalle.

Ausschnitt aus Diplomarbeit 2008

Gab es bestimmte Ereignisse oder Stationen, die für Ihren Werdegang prägend waren?

Impulse waren sicher immer wieder Werke, die ich gesehen habe, die einen anziehen und durchs Leben begleiten. Ebenso dazu gehören die innere Unruhe, die Suche und die Freude am Gestalten.

 

Gab es bestimmte Personen, die für Ihren Werdegang prägend waren?

Die Lehrpersonen im Masterstudium fand ich grossartig. Hier durfte und musste ich mich entwickeln

 

Hat Sie Ihr Umfeld in Ihrem Werdegang unterstützt?

Mein Grossvater väterlicherseits hat mich während des Masterstudiums finanziell unterstützt. Mein Vater ermutigte mich immer wieder, meinen Interessen nachzugehen. Meine Eltern haben ein sehr anderes, extrovertierteres Künstlerbild, aber sie unterstützen mich oder liessen mich gewähren.

Ausstellungsansicht NEX TEX, St.Gallen 2010 Ausstellungsansicht Masterabschluss, Centre Pasquart 2013

Gibt es Momente, in denen Sie an dem, was Sie machen, zweifeln?

Die gibt es konstant: die finanziellen Aspekte, die Zukunftsängste, Stress. Finanzielle Sorgen und Zukunftsängste blende ich aus. Mit Stress kann ich umgehen, wenn ich mich in meinem Tun und in meinen Gedanken auf mein Handlungsfeld beschränke.

 

Können Sie schwierigen Momenten rückblickend etwas Positives abgewinnen?

Rückblickend finde ich es schön, wenn aus mageren Zeiten wieder vollere werden.

 

Gibt es etwas, was Sie rückblickend anders machen würden?

Vermutlich vieles.

Nicht mehr so viel Zeit verlieren durch Legitimationsfragen, unwichtige Dinge, versteckte Erwartungen, angepasstes Dasein, Grübeln.

Ausstellungsansicht Werk- und Atelierstipendien der Stadt Zürich, Helmhaus Zürich 2013

Möchten Sie mit Ihren Tätigkeiten etwas zur Gesellschaft beitragen?

Das wäre zu hoch gegriffen. Aber es gibt dümmere Tätigkeiten, beim Malen macht man auch nichts Korrupteres. Vielleicht bietet jede stille Beschäftigung, die keinen direkten wirtschaftlichen Nutzen erbringt, auch eine Art von Widerstand? Ich finde schön, wenn die Kraft der Bilder Menschen zu berühren vermag. Bilder können dort ansetzen, wo Worte nicht hinkommen.

Wenn ich mit Kindern und Jugendlichen arbeite, dann versuche ich, sie so zu begleiten, dass sie gut auf ihre innere Stimme hören können und ihre Kraft spüren. Selber Sachen erfinden und umsetzen macht lebendig und stark.

Ausstellungsansicht Galerie Rheinart 2017

Ist Ihnen die Anerkennung von anderen Personen bzw. von der Öffentlichkeit wichtig?

Jeder Mensch braucht Anerkennung. Aber ob diese „von der Öffentlichkeit“ kommen muss, kann ich nicht beurteilen. Austausch finde ich wichtig.

 

Wie gut können Sie von dem, was Sie beruflich tun, leben?

Die Familie ist im Moment finanziell angewiesen auf das Einkommen meines Mannes. Er arbeitet ebenfalls selbstständig als Ausstellungsszenograph und unterrichtet. Wir legen alles zusammen. Zum Glück wohnen wir in einer günstigen Genossenschaftswohnung mitten in Zürich. Es ist viel Organisation und Flexibilität gefragt im Familienalltag. Ich hoffe, dass sich die finanzielle Situation ändern wird.

Papierarbeiten 2015

Gibt es etwas, das Sie derzeit besonders beschäftigt?

Das politische Weltgeschehen beobachte ich aufmerksamer als auch schon. Ich möchte mich mehr engagieren in meinem Umfeld. Das Begleiten von Kindern verstärkt dieses Bedürfnis.

 

Gibt es etwas, womit Sie sich in Zukunft gerne (verstärkt) beschäftigen würden?

Mit vielem aus den Bereichen Praktische Philosophie / Malerei / Bildende Kunst.

Ich wünsche mir meine Tätigkeiten intensiver, radikaler, präziser.

 

Wofür sind Sie im Leben besonders dankbar?

Dass ich lebe und gesund bin. Dass ich die Möglichkeit hatte und habe, mich zu entwickeln. Für meine Familie bin ich sehr dankbar. Sie ist für mich eine abenteuerliche Reise und alles andere als eine Selbstverständlichkeit.

Dieses Interview ist Teil des Projekts «Magic Moments» des Kunstvereins Schichtwechsel, in dessen Rahmen Menschen zu ihrem Werdegang, ihren Tätigkeiten sowie magischen und schwierigen Momenten befragt werden.

Kuratiert von Stefani Andersen und Laura Hilti, Kunstverein Schichtwechsel.

Gefördert durch die Kulturstiftung Liechtenstein und die Stiftung Fürstl. Kommerzienrat Guido Feger.

 

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