Alex Hanke machte 1996 erste Schritte im Feld der Gestaltung, zuerst mit Graffiti und ab 2000 mit eigenen Websites und Jobs für erste Kunden. Nach einem einjährigen Praktikum in zwei Agenturen studierte er an der Köln International School of Design. Anschliessend zog er nach Hildesheim um und studierte an der Hochschule für angewandte Wissenschaften und Kunst. Es folgte der Umzug nach Hamburg, wo er als Freelancer in verschiedenen Agenturen arbeitete. 2014 machte er sich mit seiner Firma «Zum Heimathafen» selbstständig. Zuerst mit der Gestaltung von Verpackungen und inzwischen als Illustrator, Grafiker und Siebdrucker in Hamburg. Alex Hanke stammt aus Magdeburg und ist 38 Jahre alt.

Wo und wie sind Sie aufgewachsen?

Ich wurde 1981 in Magdeburg geboren und bin zwischen grauen Häusern und schlampigen Hinterhöfen aufgewachsen. Meine Eltern waren beide berufstätig, somit war viel Zeit da, die Strassen zu erkunden und Unsinn zu treiben.

Könnten Sie Ihren Werdegang schildern?

Da in Magdeburg zwar vieles möglich war, aber nicht vieles stattfand, musste man kreativ sein. So haben wir Konzerte veranstaltet, Ausstellungen organisiert und verschiedenste andere kulturelle Veranstaltungen ins Leben gerufen. Irgendwann nach dem Zivildienst war aber klar, dass die Stadt grösser werden musste und so ging ich nach Köln. Dort wurde ich aber auch nicht so recht glücklich und zog nach Hildesheim, das ist aber auch nicht «the place to be» und so ging es nach dem Studium und einer kleinen Weltreise nach Hamburg. Und da bin ich auch immer noch.

Gab es bestimmte Ereignisse oder Stationen, die für Ihren Werdegang prägend waren?

Prägend war die Zeit, in der ich viel gesprüht hab. Sich mit Freunden die Nacht um die Ohren zu schlagen. Eine Stadt neu zu entdecken und erste Spuren zu hinterlassen.

Die ersten Konzerte und Veranstaltungen in Magdeburg zu organisieren und festzustellen, dass man die Dinge selbst in die Hand nehmen kann und muss.

Wegzugehen aus einer komfortablen Situation, mit einem sozialen Netzwerk und Freunden, hat mich definitiv auch geprägt und offener gemacht gegenüber dem Neuen.

Meine ersten Verbindungen in die Welt der Gigposter sind definitiv prägend und halten bis heute an.

 

Gab es bestimmte Personen, die für Ihren Werdegang prägend waren?

Da gibt es so viele, mein Chef während des Praktikums, der mich ins kalte Wasser schmiss und noch nicht mal zuschaute wie ich rumgepaddelt bin.

Die Menschen, mit denen ich gemalt hab und später die, mit denen ich die Veranstaltungen organisiert habe. Später dann Menschen wie Jay Ryan, über den ich das erste Mal mit Gigpostern in Kontakt kam, dann eine ganze Reihe wunderbarer Menschen wie Lars P. Krause, Señor Burns oder Ralf Krüger, die mich herzlich in die Szene der Gigposter Künstler aufgenommen haben. Aber es gibt wirklich so viele, dass es eigentlich ungerecht ist, jemanden explizit zu erwähnen. In jeder Phase gab’s Menschen die mich supported haben und somit dafür gesorgt haben, den Mut aufzubringen weiter zu gehen.

 

Hat Sie Ihr Umfeld in Ihrem Werdegang unterstützt?

Definitiv. Angefangen bei meinen Eltern, die zwar unglaublich sauer auf mich waren, wenn die Polizei nachts an die Tür klopfte, aber trotzdem für mich da waren. Sicherlich gibt’s immer wieder Menschen die einem Steine in den Weg legen, der Grossteil war aber sehr unterstützend.

Welchen Tätigkeiten gehen Sie derzeit nach?

Illustrator / Grafiker / Siebdrucker.

Obwohl es ja aus gegebenem Anlass gerade nicht wirklich viele Konzertposter gibt, die ich bearbeiten kann, ist mein Tätigkeitsfeld weiter eng mit der Musik verwoben. Gerade hab ich z.B. zwei Albumcover abgeschlossen für Tim Linghaus und für die Band The Appleseed Cast, beide sind gerade in der Produktion und ich warte schon sehnsüchtig auf die beiden LPs. Ein weiteres ist fast fertig, da darf ich aber noch nichts erzählen. In diesen Artworks greifen Illustration und Grafikdesign Hand in Hand, denn ich bin nicht nur für das Cover zuständig, sondern für das gesamte Verpackungsdesign, was immer besonders viel Spass macht.

Auf den Siebdrucktisch kommen derzeit vorrangig eigene Drucksachen, aber auch Aufträge von anderen Künstlern, die selbst keine Möglichkeit haben, ihre Werke im Siebdruck zu reproduzieren. Aber auch hier kann ich nicht wirklich von aktuellen Projekte sprechen, da die Veröffentlichung der Projekte den Auftraggebern obliegt.

 

Erfüllt Sie das, was Sie derzeit machen?

Es erfüllt mich ganz und gar. Ich kann mir Geschichten ausdenken, kann diese zeichnen und irgendwie kommt am Ende des Monats genügend Geld rum, um alles zu bezahlen. Was gibt es Besseres? Auch zu sehen, dass Menschen auf der ganzen Welt Interesse an meinen Werken haben, ist unglaublich erfüllend und auch etwas surreal.

 

Denken Sie, dass Sie selbst darauf einen Einfluss haben, ob Ihre Tätigkeiten erfüllend sind?

Ich glaube schon, bis zu einem gewissen Teil. Wenn ich etwas nicht mit Feuereifer mache, dann wird es mich auch nicht erfüllen. Wenn etwas eine Last ist, dann sollte man es nicht machen. (Klar ist die Buchhaltung eine Last, aber eben ein notwendiges Übel). Ich glaube, wenn wir alle etwas Demut gegenüber dem Leben und unserer Umwelt haben, fällt vieles leichter und wird erfüllender.

Für den anderen Teil der Erfüllung sind natürlich die Menschen verantwortlich, die meine Sachen kaufen oder die sich darüber freuen. Es gibt nichts Schöneres als die direkte Emotion von Menschen, die meine Werke betrachten. Zu sehen, wie sich ein Lächeln abzeichnet, wie darüber gesprochen wird, ein Kind was sich über eine lustige Figur freut und ähnliches. Oder auch, wenn mir jemand aus Alaska schreibt, dass ein Poster bei ihm im Schlafzimmer hängt und jeden Tage Freude verbreitet, das ist unglaublich erfüllend. Ohne das geht es glaube ich nicht.

Da ich quasi als Designer und nicht als Künstler sozialisiert bin, ist der Bezug zum Kunden noch viel grösser. Man ist ja irgendwie mehr Dienstleister, was aber gar nicht negativ oder abwertend gemeint ist.

Was oder wer inspiriert Sie im Alltag?

Die Natur inspiriert mich immer wieder, Musik hochgradig oder eine gute Geschichte. Einzelne Personen sicherlich auch, aber das wechselt auch oft und es sind nicht immer alle Werke einer KünstlerIn. Daher ist es schwierig hier jemanden zu benennen und ich würde mich nicht so sehr darauf fokussieren.

Eine gute Strategie ist Musik und Tagträumen, das einfach alles andere Abschalten und die Gedanken kreisen lassen. Manchmal hilft auch eine lange Fahrt mit dem Fahrrad.

 

Was oder wer gibt Ihnen im Alltag Kraft und Energie?

Meine Familie gibt mir Kraft, sie nimmt aber auch viel, daher ist es wohl eher ausgeglichen, was das angeht. Ansonsten weiss ich gar nicht so sehr, wie oder was es im Speziellen ist. Gutes Essen, ausreichend Sauerstoff, dummerweise wenig bis kein Alkohol. Dann hab ich meistens genügend Kraft. Es kann aber auch sein, dass es ein Projekt ist, was mit Kraft gibt, weil es z.B. für eine tolle Sache ist oder für eine Band, deren Musik ich liebe. Es hilft auch, möglichst offen durch die Welt zu wandern, dann merke ich auch, dass alles halb so wild ist.

Es gibt Momente, in denen alles zu passen scheint. Momente, die einen erfüllen, inspirieren und die einem Kraft und Zuversicht geben. Momente, die einen darin bestätigen, dass sich der Einsatz lohnt und dass das, was man macht, sinnhaft und wertvoll ist. Haben Sie solche «magischen Momente» in Bezug auf Ihre eigenen Tätigkeiten schon erlebt?

Diese gibt es in der Tat sehr oft, manchmal mehr, manchmal weniger. Beispielsweise, wenn ich für eine Band ein Poster gestalte, die ich selber sehr mag. Die Musik zu hören und den Bandnamen auf das Poster zu setzen, das ist schon manchmal wie ein Traum, zu wissen dass das jetzt offiziell für diese Band ist.

Es ist auch immer magisch, wenn ich mit Menschen zusammenarbeite und wir von Anfang an die gleiche visuelle Sprache sprechen und uns gegenseitig beflügeln und die Dinge weiterbringen, als dass ich es irgendwie selbst geschafft hätte.

 

Tun Sie aktiv etwas dafür, damit sich solche «magischen» Momente einstellen können?

Ich tue aktiv nichts dafür, ich glaube, es wäre nicht magisch, wenn ich es vorausahnen oder sehen oder provozieren wollte. Magie lebt von der Überraschung. Wenn ich mich darauf einstelle, dann kann es schon gar nicht mehr magisch werden.

Gibt es Momente, in denen Sie an dem, was Sie machen, zweifeln?

Die gibt es bestimmt täglich und auch fast bei jedem Projekt. Das ist in dem Moment sicherlich unangenehm, aber es gehört dazu. Zweifel ist gut, wenn es nicht zu viel wird, irgendwann ist auch genug gezweifelt. Zweifel helfen ja auch, Dinge zu überdenken und zu hinterfragen, davor sollte man sich, glaube ich, nicht verstecken.

 

Können Sie schwierigen Momenten rückblickend etwas Positives abgewinnen?

Definitiv, also meistens. Manchmal sind sie auch einfach nur schwierig und am Ende kommt auch nix dabei raus. Das ist dann so. Aber meistens ist es doch so, dass man sich durch etwas durchkämpft und dann schlauer ist als vorher. Fehler sind notwendig, wenn man die nicht macht, dann stimmt was nicht. Dann ist man nicht kritisch genug. Und Fehler sind erstmal auch nichts Negatives, sondern ohne Wertung. Das hat etwas nicht funktioniert und dann findet man die Lösung und ist happy. Daher sollte man Fehler auch zelebrieren – mein Freund Joris Diks hat den wunderbaren Spruch «I am ok with failure» geprägt und es stimmt einfach zu 100%

 

Gibt es etwas, was Sie rückblickend anders machen würden?

Jedes Projekt würde ich rückblickend anders machen, ich finde immer einen Fehler oder etwas, was ich ändern würde. Aber es ist dann zu spät und das ist auch völlig ok so. Gestaltete Dinge sind ja immer eine Momentaufnahme und damit muss man sich anfreunden und abfinden. Wenn es nicht so wäre und ich meine Sachen jahrelang nicht verändern wollen würde, dann wäre das Stillstand und nicht gut. Jeden Tag entwickeln wir uns weiter, verändern unsere Ansichten, weil wir dazu lernen, daher wäre es komisch, wenn man seine eigenen Sachen ewig gut findet. Das ist nicht immer toll und kann einen ganz kirre machen, aber gehört dazu.

Möchten Sie mit Ihren Tätigkeiten etwas zur Gesellschaft beitragen?

Ich möchte die Menschen glücklich machen und ihnen etwas geben, in das sie sich reindenken können und eine eigene Geschichte erleben.

Wenn ich mich bei sozialen Projekten beteilige, dann will ich natürlich in dem jeweiligen Feld etwas gesellschaftlich beitragen, aber auf meine sonstige Arbeit bezogen, reicht es mir, wenn ein paar Menschen etwas froher oder hoffnungsvoller sind.

Ist Ihnen die Anerkennung von anderen Personen bzw. von der Öffentlichkeit wichtig?

In der Öffentlichkeit überhaupt nicht, glaubt immer keiner, aber es ist mir tatsächlich eher unangenehm. Wenn jemand etwas bei mir kauft, sich darüber freut und nicht weiss, dass ich es gestaltet habe, reicht mir das völlig als Anerkennung. Alles andere schlägt bloss auf’s Ego und Menschen mit zu grossem Ego haben wir schon genug.

 

Wie gut können Sie von dem, was Sie beruflich tun, leben?

Es reicht für alle Sachen des täglichen Lebens und das macht mich sehr glücklich. Es gab genügend lange Zeiten, wo dies nicht der Fall war und das stresst ungemein und raubt Lebensenergie. Gehört aber auch irgendwie dazu, so kann ich meine jetzige Situation um so mehr schätzen.

Gibt es etwas, das Sie derzeit besonders beschäftigt?

Es klingt vielleicht platt, aber die Umweltzerstörung und der gesellschaftliche Drift nach rechts machen mir Sorgen. Mit wie viel Blindheit die Menschen auf eine mögliche Katastrophe zusteuern und manchmal auch mit bewusster Blindheit, ist in meinen Augen besorgniserregend.

 

Gibt es etwas, womit Sie sich in Zukunft gerne (verstärkt) beschäftigen würden?

Ich würde gerne wieder mehr Wandbilder malen, back to the roots quasi. Aber da muss ich noch etwas meinen inneren Schweinehund überwinden.

 

Wofür sind Sie im Leben besonders dankbar?

Dass mir Menschen, die ich nicht kenne, ermöglichen, so zu leben, wie ich lebe.

Interview
Laura Hilti, August 2020


Links

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Credits

Fotos: Jenny Schäfer
Foto Workshop und Poster: Alex Hanke

Dieses Interview ist Teil des Projekts «Magic Moments» des Kunstvereins Schichtwechsel, in dessen Rahmen Menschen zu ihrem Werdegang, ihren Tätigkeiten sowie magischen und schwierigen Momenten befragt werden.

Kuratiert von Stefani Andersen und Laura Hilti, Kunstverein Schichtwechsel.

Gefördert durch die Kulturstiftung Liechtenstein und die Stiftung Fürstl. Kommerzienrat Guido Feger.

 

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