Mirjam Steinbock stammt aus Nordrhein-Westfalen in Deutschland. Nach dem Abitur absolvierte sie eine handwerkliche Ausbildung in Essen und zog mit 23 Jahren nach Vorarlberg, wo sie einige Jahre in ihrem Lehrberuf Goldschmiedin arbeitete. Mit dem Gefühl, beruflich noch nicht angekommen zu sein, zog es sie in weiteren beruflichen Entwicklungsjahren vom kaufmännischen zum sozialen Bereich und schliesslich zur Kultur und speziell zum zeitgenössischen Tanz. Über Produktionsleitungen und Tanzfestivalmitarbeiten kam sie zum Schreiben. Heute versteht sich sie sich als Kulturarbeiterin. Mirjam Steinbock ist Geschäftsführerin der IG Kultur Vorarlberg und geht freiberuflich journalistischen Tätigkeiten und künstlerischen Projekten an der Schnittstelle von Text, Musik und Tanz nach. Sie lebt in Bregenz und taucht mindestens einmal täglich gemeinsam mit ihrer Hündin Kilja vollkommen in die Natur ein, aus der sie Kraft und Inspiration für den Alltag schöpft.

Wo und wie sind Sie aufgewachsen?

Ich bin im Westmünsterland in Nordrhein-Westfalen ganz nah an der holländischen Grenze geboren und aufgewachsen. Das Land ist flach, die Sonnenuntergänge wunderschön, die Nähe zur Nordsee ein Luxus. Dennoch rief das Land der Berge, wahrscheinlich, weil meine Mutter Vorarlbergerin ist. Mit 23 bin ich nach Österreich gezogen und geblieben.

Meine Jugendjahre auf dem Hof im Münstlerland in völliger Abgeschiedenheit

Könnten Sie Ihren Werdegang schildern?

Ich bin in einer Arbeiterfamilie aufgewachsen, bei uns wurde immer handwerklich gearbeitet und viel Schönes hergestellt. Die Liebe zur Literatur, zu Musik und Tanz wurde mir im Elternhaus mitgegeben. Und auch eine grosse Gastfreundschaft und der Blick auf die Details in den Dingen. Wir hatten immer Tiere und lebten eine lange Zeit auf dem Land in völliger Abgeschiedenheit. Ohne Geschwister musste ich mir etwas einfallen lassen, um dem Alleinsein angemessen zu begegnen. Seit der Kindheit habe ich viele Selbstgespräche geführt und meine Phantasiewelten laut ausgesprochen. Auch mit unseren Hunden, Pferden, Katzen und Hühnern habe ich mich unterhalten. Das war normal und das ist es noch heute. Ich bin viel geritten, am liebsten ohne Sattel und im Gelände, und habe wahnsinnig gern getanzt. Das Zeichnen war mir wichtig, gelesen habe ich in jeder freien Minute.

Als junge Erwachsene war ich mit meinem eigenen Pferd oft zu Gast auf dem benachbarten Camargue-Gestüt.

Nach dem Abitur habe ich in Essen eine Ausbildung zur Goldschmiedin gemacht, was eine Notlösung war, da ich nicht genau wusste, was ich tun sollte. Eine Zeitlang darüber nachdenken zu können, wohin die berufliche Reise gehen soll, wäre gut gewesen. Obwohl mir das Kreative gefiel, bin ich mit dem Material Metall nie wirklich warm geworden. Nach einigen Jahren der Goldschmiedetätigkeit habe ich dem Beruf den Rücken gekehrt und einen Job im Büro erhalten. Was als «Hauptsache, ein Job» begann, weckte grosses Interesse und in dem metallverarbeitenden Betrieb gefiel es mir gut. Das war wie eine zweite Ausbildung. Nach sechs Jahren spürte ich das Bedürfnis nach Veränderung und probierte eine Weile aus. Parallel fing ich an zu tanzen und bei einem Workshop in zeitgenössischem Tanz bemerkte ich sofort, dass ich in dieser Welt zuhause bin.

Es ergab sich hier auch eine berufliche Perspektive als Produktionsleiterin und Projektmitarbeiterin von Tanzvereinen und -festivals. Darüber kam dann das Schreiben. Vorerst über Tanz, dann über Kulturveranstaltungen, schliesslich für Kunstprojekte. Auch für eigene, wie bspw. «story to go» mit der Tanzkompanie bewegungsmelder. Ein Projekt im öffentlichen Raum, das Passant*innen dazu einlädt, ihre persönliche Geschichte zu erzählen, die wir – meine Kollegin Natalie mit Tanz und ich mit Text – in eine neue Sprache transformieren und so verwandelt an die Erzählerin bzw. den Erzähler zurückgeben.

Das Kunstprojekt im öffentlichen Raum«story to go» entwickelte ich mit Natalie Begle und der Dornbirner Tanzkompanie bewegungsmelder.

Gab es bestimmte Ereignisse oder Stationen, die für Ihren Werdegang prägend waren?

Es gab immer wieder Wendepunkte, die sich eine ganze Zeit vorab schon deutlich abzeichneten. Ein 7-Jahres-Rhythmus ist in der Rückschau erkennbar. Das sind aber eher Prozesse, die sich einläuten und die sich auch körperlich ankündigen – die Ereignisse markieren nur eine bestimmte Richtung. Dennoch habe ich Situationen erlebt, vor allem im Einklang mit der Natur, von denen ich wusste, dass sie bedeutend sind. Die wirken wie ein Schatz in der Erinnerung.

 

Gab es bestimmte Personen, die für Ihren Werdegang prägend waren?

Ja, da könnte ich einige aufzählen, die massgeblich waren und an die ich mich erinnere. Sowohl besonders erfreuliche als auch schmerzhafte Erfahrungen mit Menschen sind darunter. Tief berührend waren die Beziehungen und Kontakte immer. In den letzten Jahren habe ich vermehrt an eine Freundin meines Onkels gedacht, obwohl wir jetzt keinen Kontakt mehr haben. Mit ihr hatte ich als 15-Jährige viele tiefgründige Gespräche. Einmal sagte sie: «Mach weiter so, dann werden dir die gebratenen Tauben in den Mund fliegen.» Das wirkt noch heute wie ein Energie-Booster.

Hat Sie Ihr Umfeld in Ihrem Werdegang unterstützt?

Meine Eltern haben mir immer den Rücken gestärkt. Und die engsten Freundinnen und Freunde standen und stehen hinter mir. Das gibt unglaublich Kraft. Ich habe aber auch erfahren, dass es oft glückliche oder dem Entwicklungsprozess angemessene Fügungen gab. An persönlichen Wendepunkten waren ganz oft Tiere beteiligt. Seit meiner Kindheit bin ich Reiterin, die klassische Reitweise hatte mich aber nie sonderlich interessiert. Daher war es eine Art Offenbarung, als ich mit 18 Jahren auf einem benachbarten Camarguegestüt die Hirtenreitweise entdeckte und mein Herz, obwohl ich ein eigenes Pferd hatte, an einen jungen Hengst verlor. Wenn wir zwei im Gelände unterwegs waren, dann war grosser Einklang, beinahe eine Verschmelzung spürbar. Das ist mir bisher sehr selten passiert, es treibt mir in Erinnerung noch heute die Tränen in die Augen.

Mein Eintritt in die Tanzszene mit den Gründungsmitgliedern des Vereins netzwerkTanz Vorarlberg

Welchen Tätigkeiten gehen Sie derzeit nach?

Beruflich bin ich Geschäftsführerin einer Interessensvertretung für autonome Kulturinitiativen, das ist die IG Kultur Vorarlberg. Dort bin ich angestellt und setze mich vor allem gegenüber kulturpolitischen Vertreter*innen für bessere Arbeitsbedingungen im Kultursektor ein. Wir agieren bundesweit als Netzwerk und informieren und beraten unsere Mitglieder und Interessierte. In der Zeit des Lockdown, unter dem die Kunst- und Kulturszene so gelitten hat und es wahrscheinlich noch Jahre tun wird, hatten wir unglaublich viel zu tun. Die ohnehin prekären Arbeitsbedingungen sind nochmals schmerzhafter spürbar geworden.

2016 feierte die IG Kultur Vorarlberg ihr 25-jähriges Jubiläum im Verein bahnhof in Andelsbuch / Bregenzerwald. 2019 liess sich Vorstand und Ritualleiter*innenteam von Abschied in Würde individuell angefertigte Särge in Lindau zeigen. Wir durften zur Probe darin liegen, eine sehr spezielle Erfahrung.

Erfüllt Sie das, was Sie derzeit machen?

Es erfüllt mich und es überfüllt mich auch. Seit einigen Jahren bemerke ich, dass ich zu viele Tätigkeiten ausführe. Das Bedürfnis nach Fokus ist da. Vieles zur selben Zeit gut und auch termingerecht zu machen ist eine Gleichung, die selten aufgeht.

 

Denken Sie, dass Sie selbst darauf einen Einfluss haben, ob Ihre Tätigkeiten erfüllend sind?

Ja, das denke ich. Dazu braucht es regelmässige Reflexion und ein unbedingtes Vertrauen in den Körper, denn der trägt eine Weisheit mit, die der Verstand nicht kennt. Ich bin überzeugt, dass wir über ein Warn- und Leitsystem verfügen, das unsere Entwicklung und die geistige und körperliche Gesundheit gewährleisten kann – sofern wir es hören und entsprechend handeln. Dieses Leitsystem zu ignorieren kann zu Krankheit und Unzufriedenheit führen. Es ist nicht ganz so leicht, dem Folge zu leisten, weil es auch bedeutet, gesellschaftlich gegen den Strom zu schwimmen. Auf jeden Fall erfordert es Rückgrat, dem eigenen Weg zu folgen oder, falls er sich noch nicht genau abzeichnet, ihn vorbehaltlos zu erforschen.

 

Was oder wer inspiriert Sie im Alltag?

Immer wieder die Natur und die Tiere – sie zu beobachten ist ein Genuss. Das bringt mich weg von der Kopfarbeit und rein in den Körper. Aber nicht nur Sehen, sondern Schmecken, Riechen, Tasten. Mir Zeit nehmen zum Atmen. Überhaupt bewusst zu atmen. Der Duft einer Blume. Ein sanfter Windhauch. Begegnungen mit Menschen auf der Strasse, wenn man sich plötzlich anlächelt, ohne sich zu kennen. Ein Augenblick, der eine Spur länger gehalten wird als normal ist, das ist ein wunderbares Erlebnis. Glucksendes Kinderlachen, das macht mich sofort glücklich. Der Austausch mit Kindern ist sehr bereichernd. Und dann, etwas zu entdecken, das ich auf mir bekannten Pfaden bisher übersehen habe. Kleine Dinge, das ganz Stille, Unscheinbare, das sich plötzlich ins Bewusstsein schiebt und gesehen werden möchte. Ein Lieblingsgedicht, das mich seit vielen Jahren begleitet und dessen Sinn sich auf einmal in seiner ganzen Pracht entfaltet. Oder der Anruf einer Freundin just in dem Moment, als ich an sie dachte.

Innehalten und Beobachten ist eine wichtige Energiequelle auf meinen täglichen Spaziergängen im Wald

Was oder wer gibt Ihnen im Alltag Kraft und Energie?

Umgekehrt erklärt: wenn ich kraftlos und müde bin, habe ich meine Energie vergeudet, mich nicht rechtzeitig gut ernährt. Mit Ernährung meine ich die geistige und körperliche Nahrung. Wichtig ist, meine eigenen Bedürfnisse wahrzunehmen und sie zu würdigen. Selbstachtung zu praktizieren. Mich auf das zu konzentrieren, was ich jetzt gerade tue. Langsam zu gehen und nicht jedem Gedanken Glauben zu schenken. Ausreichend zu schlafen, jedes Körperteil in Bewegung zu halten und viel zu lachen. Wenn ich das beachte, dann ist der Energiefluss gegeben und ich verfüge über genügend Kraft.
Ach ja und noch was: Briefe schreiben gibt mir sofort Power und macht mich unglaublich zufrieden.

Auch eine Art des Briefeschreibens ist die Transformation einer Erzählung in einen adhoc-Text wie hier bei dem Projekt «story to go», 2017 in Feldkirch.

Es gibt Momente, in denen alles zu passen scheint. Momente, die einen erfüllen, inspirieren und die einem Kraft und Zuversicht gehen. Momente, die einen darin bestätigen, dass sich der Einsatz lohnt und dass das, was man macht, sinnhaft und wertvoll ist. Haben Sie solche «magischen Momente» in Bezug auf Ihre eigenen Tätigkeiten schon erlebt?

Ja, die kenne ich sehr gut, das ist schön und treffend beschrieben. Ich habe ein paar Beispiele im Kopf und merke, dass ich sie gar nicht teilen möchte. Aber so viel kann ich sagen: Mir kribbeln in magischen Momenten die Handinnenflächen oder ich bin zu Tränen gerührt und enorm dankbar. Dann spüre ich ganz viel Resonanz. Es liegt ein Flow darin, das ist wie eine sanfte und starke Welle, auf der man sich ausbreiten möchte.

 

Tun Sie aktiv etwas dafür, damit sich solche «magischen» Momente einstellen können?

Ich denke, solche Momente entstehen einfach und dann erfordern sie eines: eine vollkommene Hingabe.

Es gibt aber sicher günstige Voraussetzungen, damit sie entstehen können. Für mich gehört unbedingt dazu, dass ich Verantwortung für mein Tun übernehme, mir und anderen in Würde begegne und dafür sorge, dass ich viel Freude an meinem Tun habe. Und dann braucht es die Wachsamkeit, um die magischen Momente oder kleinen Wunder des Alltags auch zu erkennen. Wahrscheinlich gibt es ständig Angebote und wir übersehen sie oft durch Pflichtgefühl, Stress, Eile, Unachtsamkeit und auch, wenn das Ego allzu laut ist. Mich der Fülle des Lebens vertrauensvoll hinzugeben, ist eine ständige Übung. Da ist doch immer wieder das Verlangen nach Sicherheit, Kontrolle, Gewohnheit. Hilde Domin hat es für mich treffend gesagt: «Ich setzte meinen Fuss in die Luft und sie trug.»

2013 auf der Alp im Bregenzerwald. Hirten im völligen Nebel erfordert ein achtsames Gehen, Kenntnis der Umgebung und auch viel Vertrauen in den Körper und die Intuition.

Gibt es Momente, in denen Sie an dem, was Sie machen, zweifeln?

Ja, ich zweifle oft und hinterfrage, ob mein Verhalten richtig war, ob ich alles beachtet habe, ob ich mein Gegenüber genügend geachtet habe. Der Grat zwischen Reflexion und Selbstzweifel ist ein schmaler. Ich finde, ein bisschen weh darf es tun, sonst verändert sich nichts. Aber es braucht bei allem auch eine Grosszügigkeit sich selbst gegenüber. Sich nicht zu ernst zu nehmen, Fehler als etwas zu betrachten, das eben noch fehlt, ist auch ein guter Zugang. Seit einiger Zeit versuche ich, das Leben etwas spielerischer zu betrachten und es zu feiern. Wenn ich entspannt bin, bleiben die Dinge besser im Fluss und ich bin offener und auch eher bereit, zauberhafte Momente zu empfangen.

 

Können Sie schwierigen Momenten rückblickend etwas Positives abgewinnen?

In schwierigen Momenten rücke ich näher an mich heran und das ist gut. Sich selbst annehmen zu können in all den Facetten, die nicht alle herzlich willkommen sind, ist grossartig. Und viel Arbeit. Ich hatte die schwierigsten Situationen meines Lebens auf der Alp. Dort oben in der Abgeschiedenheit und mit der Verantwortung für die Tiere in oft unwegsamem Gelände und unter manchmal widrigsten Wetterbedingungen bist du vollkommen auf dich selbst gestellt. Du musst rasch entscheiden und die Entscheidungen drehen sich oft ganz unmittelbar um Leben und Tod. Ich habe mein grösstes Scheitern in drei Alpsommern erlebt. Auf der ersten Alp habe ich eine tragende Kuh durch einen Unfall verloren, auf der zweiten Alp wurde mir während des Hirtens im völligen Nebel klar, dass ich meine berufliche Tätigkeit beenden muss – und der Job war viele Jahre lang wirklich mein Baby. Und auf der dritten Alp musste ich abbrechen, weil ich gemerkt habe, das schaffe ich nicht. Jedes Scheitern war extrem schmerzhaft, ist es zum Teil noch heute. Keines möchte ich jedoch missen, ich kam dadurch interessanterweise enorm in meine Kraft. Eine liebe Freundin von mir gab mir Folgendes mit auf die letzte Alp: «Schau immer, dass du gut gehimmelt und geerdet bist!» Dieser Satz hat mir wahrscheinlich das Leben gerettet.

Beim Zählen der Kühe im Alpsommer 2016 in der Schweiz. Man lernt sich gut kennen mit der Zeit und das ist überlebenswichtig dort oben.

Gibt es etwas, was Sie rückblickend anders machen würden?

Ich gestatte mir diesen Gedanken nie und es fällt mir schwer, in die Vorstellung hineinzugehen. Ich versuche es dennoch. Ja, es gibt etwas, das ich anders machen würde: Ich hätte mein Herz noch mehr auf der Zunge tragen sollen. Jeden Tag habe ich die Gelegenheit dazu und mir fällt auf, dass ich es immer noch nicht konsequent mache. Es braucht eine gewisse Verwegenheit, die Gunst der Stunde zu nutzen.

 

Möchten Sie mit Ihren Tätigkeiten etwas zur Gesellschaft beitragen?

Wenn es mir gelingt, durch meine Tätigkeiten etwas Erfreuliches in die Gesellschaft hineinzutragen, fänd ich das schon ganz sinnvoll. Das, was andere Menschen erreicht, sind oft die einfachen, ehrlich gemeinten Dinge. Seit einer Weile beschäftige ich mich mehr mit der Haltung, in der ich etwas ausführe, als mit dem, was ich mache. Dazu habe ich letztes Jahr etwas Tolles erlebt: Der Kellner in meinem Lieblingscafé am Meidlinger Markt in Wien hat eine unvergleichbare Art, etwas auf den Tisch zu stellen. Wie achtsam und wertschätzend er das macht und zwar gegenüber Materie und Gast wird über seine Dienstleistung unendlich kostbar.

 

Ist Ihnen die Anerkennung von anderen Personen bzw. von der Öffentlichkeit wichtig?

Selbstverständlich. Als soziales Wesen möchte ich gesehen, gehört, gespürt werden. Das Erkanntwerden ist mir aber noch etwas mehr wert. Seit dem Moment, als man mich in Bregenz auf der Strasse mit Namen gegrüsst hat, habe ich mich hier zuhause gefühlt.

story to go: Im Gespräch mit meinem guten Freund Andreas Paragioudakis, mit dem ich auch das Musikprojekt «Unter der Laterne» leite.

Wie gut können Sie von dem, was Sie beruflich tun, leben?
Gemessen am hohen Einsatz und der Qualität meiner Arbeit bleibt zu wenig übrig. Das liegt einerseits an den Arbeits- und Honorarbedingungen im Kultursektor und andererseits an mir selbst, weil ich viel Arbeit herschenke und es manchmal verpasse, den angemessenen Preis zu kommunizieren. Vor allem, wenn es um ehrenamtlich tätige Vereine geht oder um junge Initiativen, von denen ich begeistert bin. Ich bin aktuell damit beschäftigt, daran etwas zu ändern, damit ein gutes Gleichgewicht zwischen Haupt- und Ehrenamt entsteht. Die Arbeit bei der IG Kultur hat mich dafür nochmals sensibilisiert. Es wäre kontraproduktiv, einerseits permanent für Fair Pay zu kämpfen und andererseits so viel Kulturarbeit gratis zu leisten, daher bin ich neben der Selbstverantwortung auch in einer Pflicht.

 

Gibt es etwas, das Sie derzeit besonders beschäftigt?

Ja: Ich frage mich, womit und mit wem ich meine Zeit verbringen und wie ich mein Leben führen möchte. Welche Qualitäten unverzichtbar sind, was es braucht zur persönlichen Entfaltung, was ich zum gemeinschaftlichen Leben beitragen möchte und welche Mittel dazu notwendig sind. Und, ganz wichtig: Wie es mir gelingt, die Ressourcen aus Natur und Umwelt in einem nur notwendigen Ausmass zu benutzen.

Gibt es etwas, womit Sie sich in Zukunft gerne (verstärkt) beschäftigen würden?

Ich möchte mein Leben noch mehr mit Freudvollem anreichern. Das machen, was Lust bereitet. Auch wenn nicht sofort eine berufliche oder persönliche Absicht damit zusammenhängt.

Wofür sind Sie im Leben besonders dankbar?
Für die Möglichkeiten, die mir als Kind, als Heranwachsende gegeben wurden. Für meine solide, gute Ausbildung. Für die Verbindung zur Natur und den Tieren, für meine stark ausgeprägtes Solidaritätsempfinden. Für den Sinn für alles Schöne. Für meine Risikobereitschaft und Begeisterungsfähigkeit. Für die vielen feinen und wichtigen Menschen an meiner Seite. Durch sie erhalte ich Chancen für meine berufliche und persönliche Entwicklung und sie schenken mir Vertrauen, das ist grossartig.

Interview
Laura Hilti, Juli 2020


Illustrationen

Stefani Andersen


Links

IG Kultur Vorarlberg
Galerie Vor-Ort – Drei Fenster zum Weg
Verein locart
Musikprojekt «Unter der Laterne»
Projekt «story to go» mit der Tanzkompanie bewegungsmelder
Abschied in Würde


Credits
Portrait, story to go: Sarah Mistura
Jugendjahre, netzwerkTanz, Abschied in Würde, Spaziergänge, Kühe: privat
IG Kultur Feier: Darko Todorovic
Alp: Mirjam Steinbock
story to go, Feldkirch: Patricia Begle
Unterwegs mit der Hündin: Christine Lederer

Dieses Interview ist Teil des Projekts «Magic Moments» des Kunstvereins Schichtwechsel, in dessen Rahmen Menschen zu ihrem Werdegang, ihren Tätigkeiten sowie magischen und schwierigen Momenten befragt werden.

Kuratiert von Stefani Andersen und Laura Hilti, Kunstverein Schichtwechsel.

Gefördert durch die Kulturstiftung Liechtenstein und die Stiftung Fürstl. Kommerzienrat Guido Feger.

 

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