Szenische Eingriffe in einen Stadtkörper – Ein Projekt von Mark Riklin & Selina Ingold

Strassen, Plätze, Kneipen und weitere Orte urbanen Lebens sind Bühnen des Alltags, auf denen unser Leben spielt. «Stadt als Bühne» ist der Versuch, einen dramaturgischen Blick auf diese Bühnen zu werfen. Unter der Regie von Mark Riklin und Selina Ingold haben über 500 Studierende der FHS St.Gallen (Fachbereich Soziale Arbeit) die Stadt Rorschach während vier Jahren (2005-2009) zur Bühne gemacht. In neun Variationen wurde das Thema «Identität einer Stadt» in Bilder und Szenen übersetzt. In einer «Stadt als Bühne» treten Stadtfiguren auf und ab, die mit einfachsten Mitteln Sinnlichkeit und Lebensqualität erhöhen und den Menschen ein Lächeln ins Gesicht zaubern: vom Tagträumer über Herold und Glöckner bis zum Schatz-sucher, der als positiver Detektiv nach schlummernden Schätzen fahndet.

VARIATION 1: EINE STADT VERZAUBERN Über Nacht verwandeln sich im November 2005 fünfzig Studierende in moderne Butler-Figuren, die am nächsten Tag im öffentlichen Raum auf- und abtauchen: als Handföner auf dem Bürgersteig, als Bettflaschen-Kurierin an der Bushaltestelle oder als Windschutz-Butler in luftigen Gassen. Alle mit dem gemeinsamen Ziel, Menschen innerlich und äusserlich zu erwärmen und zu erheitern.

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VARIATION 2: LOB DER SIESTA Ausnahmezustand auf dem Hafenplatz. Liegestühle wie Sand am Meer, über hundert Menschen, die sich am 1. Mai 2006 hemmungslos dem kollektiven Schlaf hingeben. Mitten im öffentlichen Raum, am helllichten Tag. Auf einem Breitengrad, wo normalerweise nur hinter verschlossenen Türen und heruntergelassenen Jalousien geschlafen wird.

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VARIATION 4: THURGAUERSTRASSE 33 Hochhaus-Komplex mit Seesicht. Ende der 60er Jahre als eines der ersten Hochhäuser der Region erbaut. 54 Mietpartien auf 14 Stockwerken: ein Mikrokosmos auf engstem Raum, ein Kaleidoskop unterschiedlichster Lebensentwürfe. Hier nehmen Studierende im Mai 2007 den Faden auf und inszenieren 45 Meter über dem Schwäbischen Meer das «Café Terrasse». Im Lift treffen Gäste auf das Radio Elevatore: Ein Fahrstuhlsprecher verliest die neusten Nachrichten aus den einzelnen Etagen. Als sinnliche Massnahme, den Kontakt zwischen den einzelnen Mietern zu fördern. Der Lift als Förderraum für Menschen und Geschichten.

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VARIATION 5: SCHATZ AM BODENSEE Es eilt. Schatzsucher rennen über die Hafenmauer in Richtung Leuchtturm, wo neuste Fundstücke vom Schatzmelder in den See hinaus posaunt werden. Positive Nachrichten sollen sich ebenso schnell verbreiten wie negative. Im Oktober 2007 begeben sich Studierende auf Stimmenfang, um nach den Prinzipien des Empowerments verlorene, verschüttete und noch schlummernde Schätze zu sammeln. Drei Wochen später wird dem Stadtrat eine Inventarliste mit 169 Fundstücken übergeben. Mit der Aufforderung, aus Rorschach die erste Stadt der Welt zu machen, die den öffentlichen Dienst um einen Schatzsucher erweitert. Ein Antrag, der Gehör findet: Ein Jahr später sucht die Stadt Rorschach per Stelleninserat nach einem Schatzsucher, der Schätze recherchiert, dokumentiert und öffentlich macht.

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VARIATION 7: STAMMTISCH-GEPOLTER Die Kneipe als Bühne. Als klassischer Ort der Produktion und Reproduktion informeller Geschichten sowie der Herstellung lokaler Identität. Der Stammtisch ist der Ort, wo kein Blatt vor den Mund genommen wird. Wo gelacht, geschimpft und gepoltert wird. Der Ort des Klatschs, des Gerüchts und der Übertreibung. An den Stammtischen der Stadt denken Bürgerinnen und Bürger laut nach über das, was sie beschäftigt. Die Wirte hören ihnen dabei zu. Als Gastgeber, Zuhörer und Ohren der Stadt, welche die Geschichten filtern und neu einfärben. Im Oktober 2008 interviewen Studierende 13 Wirtinnen und Wirte der Stadt.

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Quelle Texte und Bilder:

Stadt als Bühne