Die deutsch-jüdische Künstlerin und gebürtige Berlinerin Charlotte Salomon [schuf] […] 1941 und 1942 […] 1.325 Gouachen […]. 769 von ihnen wählte sie aus und fügte sie zu einem Werk zusammen, dem sie den Titel Leben? oder Theater? Ein Singspiel gab – über die Bilder legte sie Texte und musikalische Anweisungen, die künstlerische Bezugnahmen, aber auch Anspielungen auf Kinofilme enthalten. […] Die in drei Partien – Vorspiel, Hauptteil, Epilog – geteilte Erzählung setzt im Jahr 1913 mit dem Selbstmord ihrer Tante Charlotte ein, der eine Reihe rekonstruierter Erinnerungen in Gang setzt […]. Im Mittelpunkt des Hauptteils stehen Vorstellungen von traumatischen Erlebnissen und die von dem Gesangslehrer ihrer Stiefmutter vertretenen Ansichten sowie Salomons Ringen um künstlerische Selbstverwirklichung unter der Herrschaft der Nazis. Der Stil wird zunehmend roh und eindringlich, auch abstrakter, als die Bildergeschichte aus dem Leben jüdischer Frauen – überschattet vom Aufstieg des Faschismus in Deutschland, erzwungener Emigration und sexuellem Missbrauch – im dritten Teil die jünste Vergangenheit erreicht und das Hauptaugenmerk sich von selbstgeschaffener Erinnerungen auf die psychischen Herausforderungen verschiebt, vor denen die Künstlerin angesichts der politischen Wirklichkeit des Jahres 1940 steht: Leben oder sterben?

 

 

Charlotte Salomon war eine deutsch-jüdische Künstlerin. Sie wurde 1917 in Berlin geboren und 1943 in Auschwitz ermordet. 1939 floh sie nach Frankreich, wo zwischen 1941 und 1942 ihr biografischer Text- und Bilderzyklus Leben? oder Theater? Ein Singspiel entstand. Das 769 Gouachen umfassende Werk wurde erstmals 1961 ausgestellt. 2007 war es im Jüdischen Museum Berlin und in der Galerie im Taxispalais, Innsbruck, zu sehen.

 

 

Quelle Texte: dOCUMENTA (13), Das Begleitbuch/ The Guidebook, 2012 dOCUMENTA (13) Website