Ich bin ein visueller Mensch, der sich weder Zahlen noch Namen, dafür aber Bilder merken kann. Man trainiert, das visuell Relevante zu filtern, und lernt, das Neue zu erkennen, wobei meines Erachtens Innovation nicht der einzige Qualitätsmaßstab der visuellen Welt sein kann. Es fragt sich, ob ein neues Bild uns in der Welt voranbringt. In meinen Augen ist die Avantgarde keine altmodische Haltung. Wir befinden uns doch immer noch in der Moderne, insofern wir weiterhin des Neuen bedürfen. Es stimuliert mich nur, wenn es mich irritiert. Ein Bild muss mich ärgern, muss mich enttäuschen und muss mir meine eigene Begrenztheit drastisch vor Augen führen. (232-233)

Die entscheidende Frage ist doch, wie man möglichst viele in eine Ausstellung lockt. Wenn jemand bei sich zuhause Kunst aufhängt, so kommt bedauerlicherweise niemand bei ihm zur Besichtigung vorbei. Dass ich den Bunker als Ort für meine Kunst auswählte, war keine Geldfrage, denn es hätte dicke auch für ein neues Gebäude gereicht, doch das schien mir zu einfach. Letztendlich zeige ich mit dem Berliner Projekt, was Kunst heute schafft und welche Relevanz sie hat. Wie Sie wissen, wurde der Bunker von den Nazis gebaut, und von daher geht es hierbei auch um eine Auseinandersetzung mit faschistischer Architektur. Aber es handelt sich dabei keineswegs um eine Form der Geschichtsbewältigung. Ich will Probleme nicht meiden, sondern thematisieren und lösen. Was gibt es Schöneres, als mit einem heiklen Versuch nicht zu scheitern? Weil Kunst die Vergegenständlichung geistiger Freiheit ist, kann sie auch die Nuss eines so angstvollen Gebäudes knacken. (235)

Wenn Eliasson einen Verein gründet und sagt, es reicht nicht, nur Kunstwerke in die Welt zu setzen, sondern wir sollten auch etwas bewegen, so wird mir die Notwendigkeit des Aktivseins klar. Nur mit realem Tun setzt man etwas in Gang. Was an den Kräften zehrt, Geld und Zeit kostet, löst auch Glücksgefühle aus. (238)

Auszug aus einem Interview mit Heinz-Norbert Jocks im Kunstforum International, Band 209 “Die heilige Macht der Sammler”, Juli – August 2011, S. 229-243.

 

Christian Boros (*1964 in Zabrze, Polen) ist Medienunternehmer und Kunstsammler. Boros studierte von 1984 bis 1990 Kommunikationsdesign bei Bazon Brock in Wuppertal. 1990 gründete er die «Boros Agentur für Kommunikation». Einer breiten Öffentlichkeit bekannt wurde er 1994 mit seiner Anzeigenkampagne für den Musiksender VIVA. Die Agentur Boros betreut Kunden aus den Bereichen Industrie und Kultur sowie öffentliche Institutionen. Bereits mit 18 Jahren begann Boros, Kunst zu sammeln. 1990 entdeckte er in London den Fotografen Wolfgang Tillmans und erwarb von ihm 40 Arbeiten. Neben Werken von Tillmans sammelte er die Young British Artists Damien Hirst, Tracey Emin, Sarah Lucas sowie deutsche Künstler wie Michel Majerus, Thomas Scheibitz, Anselm Reyle, die Amerikanerin Elizabeth Peyton und den Dänen Olafur Eliasson. Die Sammlung Boros umfasst 700 Arbeiten zeitgenössischer Kunst. Um seine ständig wachsende Sammlung unterzubringen, kaufte Boros in Berlin-Mitte im Jahr 2003 den Hochbunker (1942 durch Karl Bonatz ausgeführt) an der Reinhardstraße. Seit dem 7. Juni 2008 ist die Sammlung für jedermann nach Voranmeldung zugänglich.

 

Quelle Interview: Kunstforum International

Quelle Biographie: Wikipedia (6.12.2011)

Quelle Bild: Sammlung Boros Olafur Eliasson, «Berlin Color Sphere», 2006 © Noshe