Die Ausstellung “The One & The Many” der skandinavischen Künsler Michael Elmgreen (*1961) und Ingar Dragset (*1968) handelt von der sozialen Isolation des Individuums und dem Mangel an Kommunikation in der Wohlstandsgesellschaft und Konsumkultur. Sie fand in Rotterdam in einer ehemaligen U-Boot-Fabrik statt und bestand aus einem Nachbau eines vierstöckigen Gebäudes mit Wohnungen, fiktiven Einwohnern, einem 8m-hohen Riesenrad und 25 jungen Schauspielern, welche in dieser Installation verschiedene Szenen spielten. Parallel haben die Künstler die Skulptur «It’s Never Too Late to Say Sorry» aufgestellt, welche aus einem Stahlmegafon auf einem Granitsockel besteht. Während einem Jahr wird jeden Tag am Mittag um 12:00 ein Mann erscheinen, das Megafon herausnehmen und rufen: «It’s never too late to say sorry».

 

Dokumentation Deutsche Welle

 

Interview mit den Künstlern über «The One & The Many» (mit Dazed Digital)

Die Wohnungen haben kleine Hinweise von Liebes- und Lebensmodellen und -lifestyles der verschiedenen Einwohner – Leute, die X Factor schauen, ihre ganze Wohnung mit Ikea eingerichtet. Wir haben auch einen einsamen Gentleman, der vergammelte Sofas und Sessel hat und dessen Highlight seines Lebens das Gewinnen des lokalen Dartturniers war. Deshalb hat er Trophäen von seinem früheren Leben als ein Dart-Champion und er schaut Fussballspiele an seinem Fernseher. Es gibt das Zuhause eines asiatischen Immigraten, wo sie die ganze Zeit Karaokevideos schauen, und es gibt einen Mann, der immer exotische Reiseziele sucht, aber offensichtlich seine Wohnung nicht oft verlässt – es gibt ein kleines Übungsfahrrad in seinem Büro, aber er kommt nicht viel weiter als dorthin.

In dieser Ausstellung geht es darum, wie öffentliche Räume graduell verschwunden sind, weil viele Leute Angst davor haben, in der Nacht hinauszugehen, da sie schreckliche Geschichten über Messerstechereien und Gewalt hören. Auf eine Art stellen wir also einfach auch einen Service für Kunstinteressierte zur Verfügung, weil viele von ihnen sehr sozial engagiert sind, aber sich nicht getrauen, in diese «bösen Viertel» zu gehen. Das ist also eine Art fertiges böses Viertel für sie in einer sicheren beschützten Umgebung.

«The One & The Many» hat viel damit zu tun, wie wir heute unsere Identitäten kreieren. Es gibt eine Aufforderung an jeden von uns, etwas Ausserordentliches zu sein, eine erfolgreiche kulturelle Persönlichkeit oder eine Berühmtheit oder etwas Aussergewöhnliches zu tun, und wenn wir das nicht tun, denken wir, dass wir gescheitert sind. Das ist für uns das Hauptproblem unserer Gesellschaft heute, weil es viele Aggressionen und Desillusionen bei jungen Leuten schafft. Trotz Warhols Annahme, dass wir alle 15 Minuten lang berühmt sein würden, können wir nicht alle Teil dieser Celebrity-Kultur sein. Die meisten von uns müssen einfach zu einer grösseren Gesellschaft beitragen, einen Teil davon sein und stolz darauf sein.

Die Schauspieler werden als visuelles Element genutzt, sie haben keine richtigen Texte oder theatralische Aufgaben. Sie werden das Publikum vor allem verunsichern, weil plötzlich die alleinstehende Mutter auf einer Bank sitzt und den Männern beim Limousinen reparieren zuschaut und dann plötzlich am Handy ist und anfangen wird, zu schreien und streiten und als Zuhörerschaft denkt man zuerst, dass sie irgendein Freak ist – jemand, der zur Ausstellung gegangen ist und seine persönliche Tragödie vor unseren Augen auslebt – aber dann findet man heraus, dass sie sich wiederholt und dass sie eine Performerin ist.

 

Interview mit den Künstlern über «It’s Never Too Late to Say Sorry» (mit Dazed Digital)

Passanten werden jeder für sich ihre persönliche Interpretation davon machen. Vielleicht waren sie gemein zu ihrer Mutter oder ihrer Freundin und denken, dass sie eine Mahnung bekommen, die sie dazu bringt zu denken, dass sie sich vielleicht entschuldigen sollten. Aber es ist auch direkt vor dem Rathaus und sie hören es jeden Tag genau um zwölf und vielleicht denken sie eines Tages über ihre Politik nach. Das Schöne dabei ist, dass diese Männer (die den Akt performen) jetzt einen Job haben, ein geregeltes Einkommen, das von der Stadt bezahlt wird, nur um Rotterdam schuldenfrei zu machen. Wir sollten es auch vor Boris Johnsons Büro installieren. Aber vielleicht denkt man auch, dass es zu spät ist, sich zu entschuldigen, wenn man «The One & The Many» gesehen hat.

 

Quellen Text [Freie Übersetzung der Redaktion]: Vernissage TV Dazed Digital Museum Boijmans Van Beuningen

Quelle Bilder «The One & The Many»: Museum Boijmans Van Beuningen © Tot en met ontwerpen

Quelle Bild «It’s Never Too Late to Say Sorry»: Sculpture International Rotterdam