„Die Tortur ist das fürchterlichste Ereignis, das ein Mensch in sich bewahren kann.“ (S. 48)

„Wer der Folter erlag, kann nicht mehr heimisch werden in der Welt. Die Schmach der Vernichtung läßt sich nicht austilgen. Das zum Teil schon mit dem ersten Schlag, in vollem Umfang aber mit schliesslich mit der Tortur eingestürzte Weltvertrauen wird nicht wiedergewonnen. […] Der gemartert wurde, ist waffenlos der Angst ausgeliefert.“ (S. 73)

„Wer das Exil kennt, hat manche Lebensantwort erlernt, und noch mehr Lebensfragen. Zu den Antworten gehört die zunächst triviale Erkenntnis, dass es keine Rückkehr gibt, weil niemals der Wiedereintritt in einen Raum auch ein Wiedergewinn der verlorenen Zeit ist.“ (S. 75)

„…dass ich mir auch der Bereicherungen und Chancen, welche die Heimatlosigkeit uns bot, wohl bewusst bin. Die Öffnung auf die Welt hin, die die Emigration uns gab – ich weiss sie zu schätzen.“ (S. 80)

„Man muss Heimat haben, um sie nicht nötig zu haben.“ (S. 81)

Jean Améry: Wieviel Heimat braucht der Mensch. In: Jenseits von Schuld und Sühne. Bewältigungsversuche eines Überwältigten. Stuttgart, Klett-Cotta, 1977, 2. Aufl. 1980

 

DRS2 Reflexe, 30.10.2012

Jean Améry, Modernist aus Leidenschaft

Der österreichische Schriftsteller Jean Améry (1912-1978) verkörperte einen Typus von Intellektuellen, wie es ihn heute kaum noch gibt. Der gebürtige Wiener war ein blendender Stilist und ein kritischer Analytiker der Zeitläufe.

Er war von der französischen Aufklärung und vom Existenzialismus Sartres geprägt, ein wacher, sensibler und nervöser Geist, der über Foucault und den Strukturalismus ebenso glänzend zu schreiben vermochte wie über seine Erfahrungen als KZ-Häftling in Auschwitz und die moralischen Aspekte des Freitods.

Zum 100. Geburtstag, am 31. Oktober 2012, erinnert Günter Kaindlstorfer an den bedeutenden Schriftsteller und stellt die Frage nach Amérys Aktualität.

 

Quelle Zitate www.literaturepochen.at

Quelle Text www.drs2.ch

Quelle Bild Ö1