Nichts bleibt gleich

Für mich ist das Experiment als Format zur Untersuchung notwendig, wenn wir auf einer konstanten und prüfenden Interaktion mit der Realität bestehen wollen. Oder anders ausgedrückt: Indem wir experimentieren, können wir die Normen hinterfragen, nach denen wir leben und somit Wirklichkeit herstellen.

Wegen ihrem Hang zu vorwiegend formalen Fragen hat die KünstlerInnenausbildung, glaube ich, insofern versagt, als dass sie nicht anerkennt, dass Kreativität Wirklichkeit herstellt. Die hierarchische Wissensvermittlung, die in vielen Kunsthochschulen praktiziert wird, ist eindeutig unproduktiv: Die unflexiblen Kategorien von „Lehrenden“ und „Studierenden“, die in einer abgeschotteten Umgebung arbeiten, sowie die grundsätzlich ungleich gewichteten Beziehungen zwischen beiden, haben den Studierenden Verantwortung abgenommen und sie von echter Arbeit im echten Leben distanziert. Aber zu studieren und Wissen zu produzieren sollte keinen Rückzug aus der Gesellschaft implizieren.

Meinem Verständnis nach ist ein Kunstwerk grundsätzlich mit seiner Umgebung verbunden, mit der Gegenwart, der Gesellschaft und den kulturellen und geografischen Determinanten. Es aktiviert diese dicht vernetzte Struktur und untersucht somit die Welt, in der wir leben – und kann dadurch letztendlich auch die Welt verändern.

Zurzeit erscheint es produktiv, die eigene Unsicherheit zuzugeben, statt nach einer rationalisierten und standardisierten Verstehensweise weiterzumachen. Indem wir Unsicherheit Raum geben, stärken wir unsere Fähigkeit, unsere Umgebung neu zu verhandeln. Lassen Sie mich deshalb ein Prinzip vorschlagen: Der Erfolg eines Modells liegt in seiner Fähigkeit, sich immer wieder neu in Frage zu stellen und zu bewerten. Dadurch wird klar, dass uns am Ende unserer Nachforschungen keine künstlerische Formel erwartet.

Letztendlich ist die Idee, das Konzept der Schule als Prozess zu erkunden. Indem wir das tun, können wir hoffentlich die negativen Strömungen der heutigen Marktwirtschaft umschiffen: Indem sie unsere Denkprozesse zu Waren macht, besteht diese Ökonomie auf einer linearen Art der Auseinandersetzung mit unserer Umgebung, auf Linearität unseres Verständnisses von Prozess und Geschichte. Marktfähigkeit, Konsum und Erfolg sind alles. Der verführerische Vorzug einer stabilen Form liegt in ihrer unveränderlichen Beschaffenheit, die wiederum zum Kriterium für Erfolg wird. Dies finde ich kontraproduktiv für die Reibung, die es der Kunst erlauben könnte, in der heutigen Gesellschaft Einfluss auszuüben. Für mich bleibt nichts gleich. Nur auf diese Art, kraft des Experiments, können wir die Gesellschaft ko-produzieren und der Stimme der Kunst Aufmerksamkeit verleihen. Und wenn sie dies nur realisieren würde, hätte die Kunst ein unglaubliches Potential, die in der Gesellschaft verwurzelten Werte zu beurteilen. Sie kann eine nicht-normative Plattform bilden und einen Gemeinschaftssinn schaffen, auf der Grundlage der Tatsache, dass wir uns alle voneinander unterscheiden. Gemeinschaft auf diese Art zu definieren ist heute die eigentliche Herausforderung.

Auszüge aus: Olafur Eliasson, Nichts bleibt gleich, Institut für Raumexperimente

 

 

 

Quelle Text und Bilder: Institut für Raumexperimente